Oberleitner: Zunftaltertümer des oberösterreichischen Eisenhandwerkes schließen, die anfangs den Charakter geistlicher Bruderschaften hatten und für die Unterstützung der armen und kranken Mitglieder Sorge trugen. Im 15. Jahr¬ hundert kam es aber überall in Deutschland zur Gründung von weltlichen Gesellen¬ laden, die den Meisterzünften nachgebildet waren und in den „abendlichen Auf¬ lagen“, gleich den „Morgensprachen“ der Meister ihre wirtschaftlichen Interessen vertraten. Hier führte der Altgeselle oder Vürgeselle den Vorsitz. Meister, die als Gesellenväter diesen Auflagen beiwohnten, konnten keinen Einfluß auf die Ver¬ handlungen nehmen. Die Gesellen hatten in ihren Laden ihre selbständige Büchse oder Kasse und eigene Stuben für ihre Zusammenkünfte. Die Gesellenladen waren die Standesorganisation der Gesellen, die neben der kirchlichen Richtung immer mehr den Zweck verfolgten, ihre Interessen gegenüber den Meistern oder der Zunft zu wahren und zu verteidigen. Ein scharfer, sozialer Gegensatz zwischen Meistern und Gesellen bestand so¬ lange nicht, als der großen Mehrzahl der letzteren die Erwerbung der Meisterstufe und damit des selbständigen Gewerbes gesichert war. Mit dem Schwinden der Blütezeit des Handwerks infolge Überfüllung und veränderter wirtschaftlicher Ver¬ hältnisse wurde die Erlangung der Meisterwürde immer schwieriger. In dieser Notzeit vergaßen die Zünfte auf den schönen Grundsatz, daß Gemeinnutz vor Eigennutz gehe und das Sprichwort „Das Handwerk müsse so rein sein als wäre es von Tauben gelesen“ verlor seine Geltung. Die Meister suchten sich durch Verschärfung der Zunftbestimmungen zu schützen. Die Familienmitglieder der Meister wurden bei der Erteilung des Meisterrechts oft stark begünstigt. Vielfach konnte ein Geselle nur dann zum. Meister aufsteigen, wenn er die Tochter oder gar die Witwe eines Meisters heimführte. Je mehr sich diese Mißstände einnisteten, umso mehr füllten sich die Gesellen¬ verbände als Standesorganisation den Meistern gegenüber. In Deutschland traten diese Gegensätze besonders stark in Erscheinung und äußerten sich in schweren Streikbewegungen. In Österreich kamen die ersten Mißhelligkeiten zwischen Meistern und Gesellen gegen Ende des 14. Jahrhunderts zutage. Allerdings erreichten die sozialen Spannungen bei uns nicht ein solches Ausmaß, daß sie zu offenem Kampf zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern geführt hätten. Aber es kam auch bei uns seit dem 15. Jahrhundert zur Bildung eigener Gesellenzechen. Die erste in Wien stammt aus dem Jahre 1411. Diese Entwicklung erklärt hin¬ länglich, daß uns hier zwei Flügelladen von Gesellen begegnen. Mannigfaltig sind die zünftigen Trinkgefäße vom großen, zylindrischen Humpen über die zierlich gebauten Zunftkannen und kelchartigen Pokale bis zu den spielerischen Formen, die dem Handwerk entnommen sind. Im Vordergrunde aber stehen die zylindrischen Humpen. Sie sind gewöhnlich aus Zinn, ganz selten aus Edelmetall geformt. Solche Zunftgefäße sind in größerer Zahl in unsere Zeit herübergerettet worden. So ist uns auch der Zunfthumpen der Steyrer Messerer aus dem Jahre 1706 erhalten geblieben, den heute das Heimat¬ haus Steyr verwahrt und der ebenfalls in der Eisenausstellung zu sehen war. 239
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