OÖ. Heimatblätter 1949, 3. Jahrgang, Heft 3

Oberleitner: Zunstaltertümer des oberösterreichischen Eisenhandwerkes Außer durch die Zunftarchivalien bekommen wir in das Leben und Weben der Zünfte auch einen lebendigen Einblick durch ihren uns erhalten gebliebenen Zunfthausrat. Zu den wertvollsten Zunftaltertümern gehören die Zunfttruhen oder Zunftladen. In diese wurde alles sorgfältig verschlossen, was der Zunft besonders wichtig schien. Die Zunfttruhe war das Heiligtum der Zunft. Daher wurden in ihr verwahrt die Zunftsiegel, die Handwerksordnungen und Privilegien. Ein eigenes Zeremoniell war für die Benützung der Zunftlade ausgearbeitet und dieses wurde streng und gewissenhaft eingehalten. Sie war in der Zunftstube oder in der Herberge verschlossen aufgestellt. Nur bei Zusammenkünften mit feierlichem Tharakter wurde sie geöffnet zwischen brennenden Kerzen auf den Tisch gestellt. War dies geschehen, dann durfte nicht mehr getrunken werden und ungehörige Worte und Streit waren strenge verpönt. Es gab eine Möglichkeit, die Sitzung zu unterbrechen, indem ein Mitglied ein Tuch über die Truhe breitete, den Deckel ohne Erlaubnis schloß oder ein Geldstück in die Lade warf. Das alles war zwar nicht erlaubt, aber es wurde dem Täter nur eine mehr oder minder hohe Strafe in Bier oder Wein auferlegt. Durch eine solche Eigenmächtigkeit galt die Sitzung für aufgehoben und die Truhe wurde auf ihren gewöhnlichen Platz gestellt. Zur Wiedereröffnung der Zunftsitzung mußte die Lade wieder unter dem vorgeschrie¬ benen Zeremoniell geöffnet werden. Bei offener Lade ging die Wahl der Zech¬ meister, die Überprüfung der Ein- und Ausgaben, das Aufdingen und Freisprechen der Lehrlinge, die Verleihung der Meisterwürde und die Erledigung verschiedener anderer Zunftangelegenheiten vor sich. Die äußere Ausstattung der Zunfttruhe in kunstgewerblicher Beziehung hing ganz von der Bedeutung der Zunft ab. Wir sehen daher Truhen, die äußerst ein¬ fach gearbeitet sind, anderseits aber gibt es solche, die geradezu Meisterstücke des Tischlergewerbes darstellen. Sie sind reich mit verschiedenfarbigem Holz eingelegt, mit geschnitzten Auflagen ausgestattet, mit figuralem Schmuck verziert und von Säulen flankiert. Um schon äußerlich anzuzeigen, welcher Zunft die Truhe an¬ gehört, sind meist die Embleme der Zunft auf der Truhe aufgemalt, eingelegt oder aufgesetzt. Die Zunftlade der Sensenschmiede von Kirchdorf aus dem Jahre 1684, die sich heute im Besitz des Herrn H. Zeitlinger in Kirchdorf befindet, trägt daher die Embleme des Handwerks. In zwei quadratischen Feldern, die von einer Barock-Ornamentik umrahmt sind, prangen gekreuzte Sensen, Sichel und Messer. Daneben ist auf der einen Seite in gleicher Einfassung ein Sensenschmied dar¬ gestellt, der auf dem Amboß eine Sense hämmert. Mit besonderer Sorgfalt wurden auch die Flügelladen betreut, die vor allem in Süddeutschland im 16. und 17. Jahrhundert vorkommen. Sie sind in der Art kleiner Wandaltäre gebaut und haben verschließbare Flügel. Sie wurden in der Zunftstube oder Herberge aufgehängt und bei den Sitzungen, den „Morgen¬ sprachen“ der Meister, oder bei den Zusammenkünften, den „abendlichen Auflagen der Gesellen geöffnet. Auf der Innenwand dieser Flügelladen sind vielfach Szenen 237

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2