OÖ. Heimatblätter 1949, 3. Jahrgang, Heft 3

Oberösterreichische Heimatblätter Wir schöpfen unsere Kenntnisse über die Zünfte in erster Linie aus dem schriftlichen Niederschlag, der sich in den Zunftarchiven erhalten hat. Unter den Zunftarchivalien sind es vor allem die Handwerksordnungen, die uns über die Privilegien, die innere Organisation und den äußeren Aufbau der Zünfte Aufschluß zu geben vermögen. Durch diese sind die Wahl der Zunftvorstände oder Zechmeister, die Aufnahme der Meister, das Aufdingen und Freisprechen der Lehrlinge genau geregelt. Hier finden sich die Vorschriften über die Meisterstücke, über Wander- und Herbergswesen, über Arbeitszeit und Arbeitslohn und ebenso die Strafbestimmungen bei Vergehen gegen die Zunftsatzungen. Die Handwerks¬ ordnungen hatten also für die Zünfte große Bedeutung und dem entspricht es, daß sie in ein feierliches Kleid gehüllt, auf Pergament geschrieben, mit Anhäng¬ siegel versehen und besonders in späterer Zeit auch kalligraphisch künstlerisch geschrieben und mit Prachteinbänden ausgestattet sind. Ein schönes Beispiel für die künstlerische Ausgestaltung einer Handwerks¬ ordnung ist das Libell, durch das Kaiserin Maria Theresia 1763 den Messerer¬ meistern in Steinbach, Sierning und Neuzeug ihre Handwerksordnung bestätigt. Es ist sorgfältig auf Pergament geschrieben, mit dem großen kaiserlichen Siegel bekräftigt, in rotes Ziegenleder mit reicher Goldpressung gebunden und in einer Kassette verwahrt, die ebenfalls in Goldpressung zarte Rokoko-Ornamentik in geschmackvoller Anordnung aufweist, ein Meisterstück der Buchbindekunst der da¬ maligen Zeit. Zu diesen Zunftarchivalien gehören in gewisser Beziehung auch die Ge¬ sellengeleitbriefe. Wenn der wandernde Geselle von einem Meister fort¬ zog, dann wurde ihm von der Zunft des Ortes, an dem er zuletzt gearbeitet hatte, ein Geleitbrief über sein Verhalten mitgegeben. Diese Arbeitszeugnisse sind Dokumente von eigenem künstlerischen Reiz. Besonders die Kupferstecher des 18. Jahrhunderts haben viel Sorgfalt auf die künstlerische Ausgestaltung dieser Briefe verwendet. Die in dieser Zeit hergestellten Kupferplatten wurden vielfach noch zu Anfang des 19. Jahrhunderts benützt. Die Geleitbriefe bringen bisweilen Szenen aus dem Zunftleben. Ein Beispiel hiefür ist das Wohlverhaltungszeugnis, das das Handwerk der Steyrer Klingen¬ schmiede 1811 einem ihrer Gesellen ausstellte. Hier wird dem wandernden Gesellen, der soeben zur Herberge kommt, vom Herbergsvater der Willkommtrunk gereicht. Meist aber bringen die Geleitbriefe in geschmackvoller Umfassung die Ansicht des Ortes, an dem der Geselle zuletzt gearbeitet hatte. Ein solcher liegt uns vor in dem Geleitbrief, den die Nagelschmiedmeister von Steyr 1817 für einen Simon Kriechbaum ausstellten. Er enthält in zarter Einfassung eine Ansicht der Stadt Steyr. Diese Geleitbriefe bildeten später für den gewanderten Gesellen eine liebe Erinnerung. Sie lassen aber auch eine gewisse Werbetätigkeit der einzelnen Orte vermuten und sind uns schließlich ein Beleg dafür, daß auch in den alltäglichen Lebensäußerungen der Zünfte eine gewisse künstlerische Note mitklang. 236

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