OÖ. Heimatblätter 1949, 3. Jahrgang, Heft 3

Grüll: Die Freistädter Sensenschmiedordnung vom Jahre 1502 Unter den Eisenhalbfabrikaten, die nach dem Norden verhandelt wurden, spielten die Sensenknüttel eine bedeutende Rolle. Im 15. und zu Beginn des 16. Jahrhunderts nahm der Handel mit Sensen stark zu. Daher ist es auch be¬ greiflich, daß die Freistädter darangingen, selbst Sensenwerke und Hämmer in der Umgebung der Stadt zu errichten. Nun konnte der Handel mit der Fertig¬ ware einen weit höheren Gewinn abwerfen, fielen doch die hohen Transportkosten aus der Gegend von Kirchdorf - Micheldorf, beziehungsweise Waidhofen an der Ybbs weg. Zu den bedeutendsten Handelsfirmen in Freistadt zählten die Herzog, die Kainnacher und die Röttl, von denen die letzteren im 16. Jahrhundert auf dem Höhepunkt ihres Reichtums standen. In der Verlassenschaft des reichen Jakob Röttl, der 1585 in Freistadt starb, scheinen neben der Herrschaft und dem Schloß Reichenau im Mühlkreis drei Häuser in Freistadt sowie ein Hammer in Malsch¬ gemünd und ein weiterer in Waidhofen an der Ybbs und andere Besitzungen im Gesamtwerte von 25.912 Gulden auf. Röttl, der seinen Hauptsitz in Breslau hatte, war auch Bürger dieser Stadt 6). Noch im vergangenen Jahrhundert waren neun Hämmer in der Sensen¬ schmiedeinnung zu Freistadt vereinigt; drei lagen im böhmischen Grenzgebiet bei Zettwing und Kaplitz, zwei bei Leopoldschlag, einer bei Weitersfelden, zwei zu St. Oswald und einer bei Leonfelden 7). Die am 12. Dezember des Jahres 1502 in Freistadt vom Bürgermeister, Richter und Nat bestätigte Handwerksordnung ist derzeit die älteste in öster¬ reichischen Landen. Altere Ordnungen mögen zwar in den südlichen Sensen¬ industriebezirken von Oberösterreich, Niederösterreich und Steiermark bestanden haben, doch sind sie derzeit nicht mehr erhalten. Unsere Ordnung ist auf einem Pergamentblatt aufgezeichnet; die Meister¬ ordnung enthält 15 und die der Gesellen 12 Artikel. Als ihren Zunftpatron hatten die Sensenschmiede St. Leonhard auserwählt. Nachstehend ist der Wortlaut dieser Handwerksordnung, in der sich Leben und Treiben einer bedeutenden mittelalterlichen Handelsstadt wiederspiegelt, wieder¬ gegeben: „Wir Burgermaister, Richter, Rate vnd die geswornnen zu der Freinstat, Bekhennen fur vnns vnd vnnser nachkömen vnd tun khundt menigkhlichem mit dem brieff, das fur vnns khomen als wir In besambtem Rat gesessen sein, die erbern maister vnd gesellen samenntlich des Ersamen Hanndtwerchs der Senngssmid hie zu der Freinstat souil Ir desmals heuslich der ennden gesessen vnd gearbait haben vnd brachten vnns fur wie Sy ainhellig Maister vnd gesellen mittainander ain Zech nach Ires hanndtwerchs gewohnhait in den eren des heiligen himelfurssten vnd Peichtiger sanndt leonnharts zu haben mit sambt ainer ordnung wie sich ain yeder maister vnd gesell der yetzundt in der Freinstat were oder zu künfftigen Zeitten darein kömen wurde ainer gegen dem anndern vnd mit handtwerch halten solt wie dann solichs von ainem artigkl auf den anndern hie nachuolgenndt begriffen ist Vnd baten vnns mit diemuetigem vleis das wir von öbrigkait wegen *) Stadtarchiv Freistadt, Inventurprotokoll nach Jakob Röttl vom 5. 2. 1585. *) Stadtarchiv Freistadt, Verzeichnis der Sensenmarken und Hämmer 1825, Akten, Schachtel 278. 213

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