OÖ. Heimatblätter 1949, 3. Jahrgang, Heft 2

Hoffmann: Aufgaben der geschichtlichen Landesforschung in Oberösterreich Seite treten könnte, die den damaligen Wirtschaftszustand nach Art moderner Wirtschaftskarten aufzuzeigen hätte. Zur richtigen Erkenntnis und Erklärung dieser mehr flächenhaften Wirtschaftsverteilung gehört aber unbedingt noch ein Eingehen in die Wirtschaftsgeschichte im engsten Sinne, d. h. die Geschichte der bäuerlichen Bewirtschaftung, sei es nun Feldbau, Wiesen- und Weidewirtschaft usw.; wir ge¬ langen damitt über die bloße Ertragsberechnung zur landwirtschaftlichen Kultur¬ technik und zur Agrargeschichte in allen ihren Zweigen mit den ver¬ schiedenen Kulturgattungen. Schon bei der Untersuchung der bäuerlichen Produktion werden wir allent¬ halben auf Erwerbsgebiete stoßen, die nicht mehr dem agrarischen Wirtschafts¬ leben im engeren Sinne angehören, sondern bereits als Gewerbe oder Haus¬ industrie zu werten sind. Was bisher unter dem Namen einer Gewerbe¬ geschichte erforscht wurde, war im wesentlichen bloß eine Geschichte der gewerblichen Organisationen, also Zunftgeschichte, und fast niemals wurde versucht, dem Herstellungszweige, der Gewerbetechnik, einige Aufmerksamkeit zu schenken. Auch die Geschichte der Handwerksorganisationen wird man von der bisher üblichen Beschränkung auf die Geschichte örtlicher Verbände loslösen müssen und dafür trachten, das gesamte Netz der über das Land ausgebreiteten Gewerbe zu erfassen, um schließlich zu einer Kartographie der Gewerbe zu gelangen; die Feststellung ihrer räumlichen Verteilung, der Anzahl und Dichte der Gewerbestätten wird uns erst einen richtigen Einblick in die Bedeutung, in Blüte und Verfall der einzelnen Zweige verschaffen können. Ist unser heimatliches Handwerk enge mit der Bodenbewirtschaftung ver¬ bunden, so stehen die Anfänge unserer industriellen Unternehmungen fast durchwegs im Zusammenhange mit planwirtschaftlichen Maßnahmen, die auf Anregungen von Seite des Staates her zurückgehen und daher weitgehend von seiner Unterstützung abhängen. Im Gegensatz zu der mehr kontinuierlichen Ent¬ wicklung des Handwerks erscheinen uns die älteren Industrieunternehmungen viel¬ fach als Experimente, die nach raschem Aufblühen meist einem eben so jähen Verfall unterlagen. Es wäre eine äußerst dankbare, aber nicht leichte Aufgabe, die Frühzeit unserer Industrie nicht von den Einzelunternehmungen, von denen sich übrigens nur selten archivalisches Material erhalten hat, ausgehend, sondern von Seite der Staatsförderung her zusammenfassend zu untersuchen. Große Schwierigkeiten bereitet uns die mengenmäßige Erfassung der von Gewerbe und Industrie hergestellten Waren, der Produktion, da von Seite der Erzeugungsstätten selbst darüber so gut wie keine Aufzeichnungen erhalten ge¬ blieben sind; nur aus den Verlassenschaftsinventaren können wir gelegentlich einen Einblick in die jeweils vorhandenen Warenlager gewinnen. Das Gleiche gilt von der Geschichte des Warenaustausches, des Handels. Die Untersuchung der städtischen Handelsprivilegien und der sich daran knüpfenden Akten über Handelsstreitigkeiten der rivalisierenden Orte gewährt uns sicherlich viele wertvolle Anhaltspunkte, gibt aber in Wirklichkeit bloß einen kleinen Aus¬ 103

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