OÖ. Heimatblätter 1949, 3. Jahrgang, Heft 2

Bausteine zur Heimatkunde ani un no Das Werkmaß der karolingischen Martinskirche in Linz Ursicinus Dux hatte als militärischer Oberbefehlshaber in Ufernoricum und Oberpannonien, den beiden zwischen Passau und dem Leithagebirge gelegenen Grenzprovinzen des römischen Reiches, auch die Aufsicht über die von Kaiser Valentinian I. (364— 375) angeordneten neuen Befestigungsbauten am Donau¬ limes. Sein Name erscheint daher mehrfach eingestempelt in Legionsziegeln und zeugt von einer sehr ausgebreiteten Bautätigkeit in jenem Jahrzehnt. Fast ein halbes Jahrtausend später hören wir wieder von einer Persönlichkeit in ähnlicher Stellung. Es ist Graf Kerold, der Schwager Karls des Großen, der dann als Heerführer der Südostarmee 799 im Kampf gegen die Avaren fällt. Von beiden führt nun — ein eigenartiger Zufall — ein verbindender Weg zu den Entdeckungen am Römerberg. Graf Kerold übernimmt in der bekannten Linzer Urkunde von 799 — es ist sein Todesjahr — die Martinskirche als Lehen. Ursicinus nennt zwar keine Nachricht, aber ein römischer Dachziegel mit dem Stempel AL *) er¬ weist eine militärische Bautätigkeit am Römerberg in jenem Zeitabschnitt. Der Zeitpunkt der Errichtung der Nischenkirche, die jetzt freigelegt wurde (Abb. 1), kann kaum mehr in Zweifel gezogen werden. Sie ist die in der Urkunde von 799 genannte capella sancti Martini. Kurz vorher muß dieser Umbau statt¬ gefunden haben. Ein Umbau, nicht ein Neubau? Das war doch eine der großen Überraschungen am Römerberg, daß die karolingische Kirche nicht das Alteste im aufrechtstehenden Mauerwerk ist, sondern daß ein noch älterer Bau hiebei mitver¬ wendet wurde. Vier gedrungene quadratische Pfeiler aus sorgfältig behauenen Quadern2) und sechs mächtige, ehemals offene Arkadenbogen sind gerade soviel, daß unser stärkstes Interesse für diesen zweifellos monumentalen Urbau geweckt wird, anderseits aber viel zu wenig, um sagen zu können, welchem Zweck dieser Erstbau gedient haben mag, ob er profan oder sakral gewesen und in welchem Zeitpunkt er entstand. Das Rätselraten hierüber klafft im wesentlichen in zwe widerstreitenden Meinungen auseinander. Die einen, die meisten, halten den Bau für spätantik, den andern erscheint seine Entstehung um 700 oder im 8. Jahr¬ hundert wahrscheinlicher 3). Wäre er spätantik, dann müßte er wohl als der letzte noch aufragende Rest aus jener gesteigerten Bautätigkeit am Limes im letzten Drittel des 4. Jahrhunderts angesehen werden, die mit Ursicinus begann *). Noch viel merkwürdiger allerdings wäre er, wenn erst das Frühmittelalter ihn schuf; denn von der Baukunst der Agilolfinger wissen wir so gut wie garnichts!911 212 *) Auxiliares Lauriacenses. Stempel gleicher Art waren zur Zeit des Ursicinus in Verwendung. Siehe Jenny, der Römerbau in Juraschek-Jenny, Die Martinskirche in Linz. Ein vorkarolingischer Bau in seiner Umgestaltung zur Nischenkirche. Linz 1949, S. 58. 2) In Abb. 1 links unter der Georgsfigur einer der Pfeiler sichtbar. 3) A. a. O. G. 45 f. (bua ind *) Ebenda S. 46. nDüruz 11300 aaur 155

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