OÖ. Heimatblätter 1949, 3. Jahrgang, Heft 2

Oberösterreichische Heimatblätter durch eingehendere Untersuchung der einzelnen Herrschaften, insbesonders der größeren, möglich sein, zu den „Ur“-Herrschaften zurückzugelangen und damit überhaupt zu den Keimzellen unserer Besiedlung zurückzustoßen. Der Besiedlungsvorgang in allen seinen Zweigen muß überhaupt im Mittelpunkte der landesgeschichtlichen Forschung stehen. Man wird versuchen müssen, der bisher fast allein gehandhabten, mehr von der Sprachgeschichte aus¬ gehenden Ortsnamenforschung noch andere Methoden, die mit dem Besiedlungs¬ vorgange selbst enger zusammenhängen, anzugliedern. Es ist zu erwarten, daß wir bei der Herstellung der Herrschaftskarte und der Rekonstruktion der Urherr¬ schaften auch einen Einblick in den räumlichen Vorgang der Siedlungen bekommen; es wird uns zumindest in einzelnen Fällen gelingen, die Siedlungszellen festzustellen, von denen die Rodung ihren Ausgang und Fortschritt nahm. diesem Zusammenhange wird die Frage der unteren Einheiten der Herrschaften, der Amter, zu untersuchen sein; die Bedeutung der Amter für die Herrschafts-, Siedlungs-, Wirtschafts- und Rechtsgeschichte ist noch ungeklärt. Besonderes Augenmerk wird man dem Verhältnis zwischen den herrschaft¬ lichen Amtern und den bäuerlichen Wirtschaftsgemeinden (Mark¬ genossenschaften), zuwenden müssen. Handelt es sich doch hier um die grundlegende Erkenntnis, ob für die Besiedlung eine an die Herrschaften gebundene und von ihnen ins Leben gerufene Organisation maßgebend war oder ob es tatsächlich alte „freie“ Siedlergemeinden mit genossenschaftlichen autonomen Rechten gegeben hat. Wir haben damit einen weiteren Fragenkreis angeschnitten, nämlich das Problem der Gemeindebildung im Mittelalter und den Einfluß des ge¬ nossenschaftlichen Prinzips auf die Gestaltung rechtlicher und wirtschaftlicher Lebensformen. Vor allem interessiert uns hier der Aufstieg rein bäuerlich-wirt¬ schaftlicher Gemeinden zu Genossenschaftsbildungen höheren Grades, denen auch rechtliche und politische Funktionen zukommen, können wir doch mit ziemlicher Sicherheit behaupten, daß zumindest die bürgerlichen Siedlungen minderen Rechtes, die „Aigen“ und auch die „Märkte“ in ihrer genossenschaft¬ lichen Organisation mit rein bäuerlichen Wirtschaftsgemeinden weitgehende Ähn¬ lichkeiten aufweisen, ja wahrscheinlich sogar in ihnen wurzeln werden. Während man bisher allgemein die Entstehung und Entwicklung der bürger¬ lichen Siedlungen als Gemeinden eigenen Rechtes vom Einflusse des öffentlichen Rechtes und deren landesherrlichen Privilegien her abgeleitet hat, wäre bei den kleinen bürgerlichen Gemeinwesen, den Märkten, der bisher noch nicht beschrittene Weg-einzuschlagen, ihre Bedeutung und Aufgabe innerhalb des grundherrlichen Siedlungs- und Wirtschaftsverbandes, zu untersuchen. Eine vergleichende Betrachtung der Rechtsgeschichte unserer vielen kleinen Märkte, Aigen und Freigerichte wird uns voraussichtlich auch noch wichtige Aufschlüsse über die alten Kolonistenrechte und Freiheiten geben, die sich hier in den höher organisierten Siedlungen besser erhalten konnten als in den rein bäuerlichen Siedlungen. 100

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