Jungmair: Lebendige Worte an die Heimat einer im Jahre 161 3 beendeten handschriftlichen Sammlung von Liedern und Tänzen, welche zu jener Zeit in unseren Gegenden üblich waren. Diese Samm¬ lung, welche neben anderen auch einen Tanz des Königs Mathias, einen Sprinzensteinschen Tanz u. dgl. enthält, wäre für uns aber Hieroglyphenschrift geblieben, wenn nicht Professor L. Fischhof vom Conservatorium in Wien (der auch den Notensatz der von Spaun veröffentlichten ersten österreichischen Volks¬ liedersammlung durcharbeitete) den Schlüssel der Notenschrift erforscht und in einer wissenschaftlichen Abhandlung mitgeteilt und die Melodien in unsre Notenschrift übertragen hätte. Welcher Reichtum ursprünglicher unbewußter Gestaltungskraft, der in unserer immer mehr dem Außeren zugewandten Zeit auch immer mehr versinkt! (Die Österreichischen Volksweisen.) 16 1106 nO Das Volkslied — ein Gesundbrunnen Wenn echte Volksmusik als der wahre Ausdruck der innersten Seelen- oder Gemütsstimmung stets in hohem Grade Beachtung verdient, so wird sie in noch weit höherem Grade die lebhafteste Teilnahme erwecken, wenn wir in ihr, wie in einem Zauberspiegel Seelenzustände schauen, deren Verlust wir schmerzlich empfinden, zu denen uns, wie nach den Jahren der Unschuld und kindlichen Lust immer eine tiefe Sehnsucht zieht. Dies ist bei unseren Volksweisen der Fall. Darin besteht für unsere, durch materielle Interessen, durch überspannte Geistestätigkeit oft bis zur Besinnungslosigkeit gehetzte Zeit der größte Wert dieser Weisen, daß sie Ruhepunkte gewähren, in denen wir uns selbst wieder¬ finden, daß sie die wirksamsten Elemente wahren Lebensgenusses, unerschöpfliche Heiterkeit und Seelenfrieden in sich enthalten, daß sie die schönsten, einfachsten Empfindungen in den schönsten, einfachsten Melodien ausdrücken. (Die Österreichischen Volksweisen.) Musikkultur und Volkslied Die Musik ist bei uns in eine Sucht ausgeartet, die eigene Virtuosität prunken zu lassen. Wie wenig wird in unseren Konzerten der objektive Gehalt des Tonstückes berücksichtigt! Wird ein Publikum zu allgemeiner Begeisterung hingerissen, so gilt diese gewiß selten der Komposition, sondern der außerordentlichen Leistung des Vor¬ tragenden. Solche Virtuosität zu erreichen, müssen Jugend, Kraft, Gesundheit geopfert werden; an dem Außerordentlichen stumpft sich der Sinn für das Einfach - Schöne, für das Natürlich - Erreichbare ab; wir werden auch im Ge¬ biete der Kunst, so wie in manchen anderen Lebensverhältnissen täglich begehr¬ licher und täglich ärmer an Freuden und Genüssen. (Die Österreichischen Volksweisen.) Das Nibelungenlied — eine österreichische Dichtung Die historischen Erinnerungen, Familientraditionen, die Geographie des Nibelungenliedes, die häufig in den ältesten Landesurkunden vorkommenden gleichlautenden Personen- und Ortsnamen, die noch hier kräftig aus der Wurzel treibenden Volksdichtungen und Volksmelodien, die Übereinstimmung des da¬ 147
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