OÖ. Heimatblätter 1949, 3. Jahrgang, Heft 2

Oberösterreichische Heimatblätter Heimat-, keine Literaturgeschichte kennt und nennt den Namen dieses faustischen Lederers Joseph Freydenreich. Ein Zufall hat seinen „Faust“ gerettet; ein Kind fand das Manuskript beim Herumstöbern am Dachboden, Staub lag darüber, wie über dem meisten, was Menschen schreiben, es brachte es in die Schule, und der Lehrer, Sepp Lackinger, als Sepp von der Aist selbst literarisch tätig, erkannte, was vorlag Faustgestalt und Faustidee entsprechen in diesem Stück der Vorstellung und Tradition, wie sie bis Lessing üblich gewesen. Faust, der „Überkühne", wie ihn Mephisto hier nennt, wird nicht gerettet, sondern regelrecht vom Teufel geholt. Er ist nicht nur der im Dunkel das Licht Suchende, der über die Kraft Strebende, er hat den wilden Genuß des Lebens schon hinter sich, er ist ein Sünder; sein Weib sagt: „Stolz, Hochmut und jugendlicher Leichtsinn stempeln jede Handlung seines Lebens; rasch in allen seinen Entschließungen, ohne zu untersuchen, ob die Handlung gut oder böse sei, eilt er mit Riesenschritten immer näher dem Ver¬ derben zu.“ Statt sich um Vater, Weib und Kinder zu sorgen, läßt er sie hungern. So hat er, wie es im alten Volksbuch des Georg Widmann heißt, „greuliche Laster“ auf sich gehäuft, aber es sind nicht so sehr die der Zauberei und der schwarzen Künste, es ist seine Unbürgerlichkeit, die ihn hier mit der Moral der Gesellschaft in Konflikt bringt. Und soviel, sicherlich, Freydenreich in der Faust¬ gestalt verwandte Züge, Züge seiner selbst, getroffen hat, so sehr weht um diesen seinen Tragweiner Faust die Luft einer bürgerlichen Zeit, des Biedermeiei mehr denn der Renaissance, und Freydenreichs Absicht geht durchaus in die Richtung des erbaulichen Romans von 1587, wo die Abenteuer des geheimnis¬ vollen Dr. Faust, des „hochtragenden, fürwitzigen und gottlosen Menschen“ erzählt werden „zum schrecklichen Beispiel, abscheulichen Exempel und treu¬ herziger Warnung. Freydenreichs Faust hat aber nun eine Erfindung gemacht er hat die Buchdruckerkunst erfunden und eine lateinische Bibel fertiggedruckt und will damit, da auch er nichts gilt im Vaterlande, in die Fremde ziehen, weg von den Menschlein, die sein höheres Leben und Streben nicht fördern, nicht billigen, nicht verstehen. Die Not des schöpferischen Menschen treibt ihn, und als Wagner ihm vorhält: „Gibt es nicht häuslich Glück?“, ant¬ wortet er: „Wo? In den kleinen Hütten, wo das Herz den Menschen keine großen Forderungen macht, wo die Armen in ihrer Eingeschränktheit sich glücklich glauben, weil sie die Gebirge, die ihre Felder begrenzen, für die Grenzen der Erde halten? Die Einflüsse, die im Freydenreichschen Faust zusammenströmten, sind nicht leicht zu trennen. Gewiß „klang und summte“, wie Goethe von sich sagt, „die bedeutende Puppenspielfabel gar vieltönig“ auch in ihm wieder und vielleicht stimmen auch die folgenden Worte Goethes auf unseren Lederer und Dichter-Denker aus Tragwein: „Ich hatte es auch im Leben auf mancherlei Weise versucht und war immer unbefriedigter und gequälter zurückgekommen“ ansonsten aber gehört das Werk ziemlich deutlich einer der beiden Traditionen an, die sich in der Geschichte der Faustdichtungen ergeben haben. Die eine, spätere, liegt dort vor, wo Goethes erster Teil fortgesetzt oder verwendet wurde, wo es 142

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