OÖ. Heimatblätter 1949, 3. Jahrgang, Heft 2

Oberösterreichische Heimatblätter innenbildungsanstalt der Kreuzschwestern in Linz. Große Teile der oberösterreichi¬ schen Lehrerschaft kamen so in den Genuß seines Unterrichts und erwärmten sich an der allseits geliebten Art des väterlich sorgenden Pädagogen. Die Reihe der Musiker, die das Amt des Linzer Domkapellmeisters verwaltet hatten, war von Karl Zappe an, unter dem Bruckner als Domorganist gespielt hatte: Karl Waldeck, Dr. Burgstaller, Ig. Gruber und Müller selbst. Der Wichtig¬ keit seiner Stellung als führender Kirchenmusiker in Linz war Müller sich voll be¬ wußt. Der Linzer Dom stand auf halbem Wege zwischen der klassischen Wiener Tradition eines Haydn und Mozart und dem Cäcilianismus Bayerns, später dem modernen Stil der süddeutschen und rheinischen Kirchenmusik. Sein Kirchenchor wurde zwar getragen von dem in Oberösterreich kräftig blühenden katholischen Ver¬ einswesen. Trotzdem hatte unser Meister in dem am 1. Mai 1924 feierlich ge¬ weihten Marien-Dom nach dem Weltkrieg keinen leichten Stand. Er wußte das Niveau des Chores nicht nur zu halten, sondern auch noch zu heben. Am 24. Juni 1924 hatte er nach dem Hochamt seinem Florianer Stiftschor Valete gesagt, worauf der Abschied bei der Bevölkerung am 1. Juli gefolgt war; sein schwieriges neues Amt trat er mit dem ersten Dienst am 5. Juli 1924 an. Als Domkapell¬ meister machte er ein vorbildlich abwechslungsreiches und gediegenes Programm. Neben aller liebevollen Pflege der Linzer Tradition, an deren erster Stelle Bruckner stand, folgte auf Wiener Klassiker wertvolle moderne Literatur. Nur einen Fehler hatte er dabei: zur Aufführung seiner eigenen Werke mußte man ihn förmlich zwingen, überhaupt könnte man, wenn auf irgend jemanden, so auf ihn das schöne Wort von dem Berühmten, dem Bescheidenheit zur Zier gereiche, anwenden: je mehr ihn die Menschen als Komponisten und Dirigenten anerkannten, desto be¬ scheidener wurde er. Mit Gewalt wußte er sich jeder Ehrung zu entziehen. Nur mit großer List konnten ihn seine Freunde zur Feier seines 60. Geburtstages bringen. Die Mitglieder des Domchores gingen für ihn durchs Feuer; kein Wunder: mit diplomatischem Geschick und sich selbst entäußernder Liebenswürdigkeit überredete er sie zum Besuch von Proben und Aufführungen, wußte er von den persönlichen Leiden und Freuden jedes einzelnen seiner Getreuen und nahm in ihren Familien Trauungen und Taufen vor. Außer den vielen, mit erneuertem Eifer geschaffenen Proprien schrieb er so manches Werk für die besonderen Erfordernisse der Musik im Dom und duldete, wenn es dann wirklich zur Aufführung kam, nicht, daß man davon Aufhebens machte. So entstanden unter anderem die zwei Tedeum, eines 1929 mit Orgel und Bläsern, eines 1937 mit großem Orchester, der viel aufgeführte Auferste¬ hungschor mit Orgel und Bläsern oder der 150. Psalm, ebenfalls mit Orgel und Bläsern (1929), und viele Motetten. Das Seitenstück zu Müllers sprichwörtlicher Freigebigkeit gegen die Armen bestand darin, daß er niemals Nein sagen konnte, wenn ihn eine Singgemeinschaft, eine Schule, ein Verein um einen Chor, ein Lied oder sonst eine Gelegenheits-Komposition baten. So entstanden die meisten seiner Lieder mit Klavier und allen möglichen Begleitungen. Geringer ist die Zahl der 134

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