Unfried: Franz Kaver Müller lich Kritiken über musikalische Ereignisse in St. Florian, denen er als bloßer Zu¬ hörer beiwohnte. Nach auswärts führten ihn außer seinen gelegentlichen Mitwir¬ kungen als Sänger die Fahrten zu Wiedergaben seiner eigenen Werke und Orgel¬ Kollaudierungen. Wie er in der Landeshauptstadt die Musikvereins-Konzerte be suchte, ferner die großen Oratorien-Aufführungen, gelegentlich auch Abende be¬ deutender Solisten, so sorgten fast täglich Besucher in St. Florian, daß die Wall¬ fahrt nach diesem Mekka der Kunst nie abriß. Müller mögen die Repräsentations pflichten dabei oft unliebsam in seiner Arbeit gestört haben. Die Namen auch nur der wichtigsten Gäste anzuführen, würde den Rahmen dieses Artikels weit über¬ schreiten. Erholung von aller Plage fand Müller in seinen Besuchen in der Heimat, in dem Verkehr mit seinen Verwandten. In jungen Jahren bildete seine innigst ge¬ liebte Mutter den Hauptanziehungspunkt für seine Fahrten ins heimatliche Dim¬ bach. Rührend eindrucksvoll sind die Tagebuch-Berichte über Krankheit und Tod der Mutter. Am 4. April 1907 lesen wir: „Hora ½2 pia mater mea obdormivit in Domino“. Nachher übertrug er alle seine Liebe auf seine Geschwister und Ver¬ wandten. Das Los seiner beiden gleich zu Beginn des ersten Weltkrieges im August 1914 einberufenen Brüder Mischko und Anton wurde in gewissem Sinn Müller selbst zum Schicksal. Anton, der in Waldhausen Tischler geworden war, litt in Przemysl, wurde bei der Übergabe der Festung an die Russen gefangen, nach Zen tral-Asien deportiert und ist in Samarkand am 18. Mai 1915 gestorben, wovon seine Angehörigen erst später erfuhren. Seither war die unbeschwerte Fröhlichkeit unseres Meisters entscheidend gedämpft. Weiteren Grund zu traurigem Ernst fand Müllers zu politischem Patriotismus neigendes Gemüt in der sich für sein Vater¬ land verschlechternden Kriegslage und sein mitfühlendes Herz in der allgemeinen Kriegsnot, in dem Elend, das über viele Familien gekommen war. Er klagte über Nervenzustände, über „starkes“ und „außerordentlich starkes Kopfweh“. Anzeichen des Herzleidens machten sich bemerkbar. Das nach Außen zur Schau getragene Bild strotzender Gesundheit, die Frohlaune des jungen und der gütige Ernst des reifen Mannes verdeckten eine sehr sensible Natur, wie ständige eindringliche Tage¬ buch-Bemerkungen über das Wetter beweisen. Alle Geschwister sind vor Franz Xaver gestorben; das Elternhaus konnten sie nicht halten und mußten es schließlich verkaufen. Schwester Resi wirkte als Handarbeitslehrerin. 1924, mitten in dem Neuaufbau des klein gewordenen Österreich, den Müller mit höchstem Interesse verfolgte, nach den Wirren der Inflationszeit, erreichte ihn seine ehrenvolle Berufung zum Linzer Domkapellmeister. Er über¬ siedelte nach Linz in das Florianer Haus, Ecke Landstraße-Spittelwiese Schon zwei Jahre vorher war er an zwei Tagen der Woche in die Landeshaupt¬ stadt gefahren, um dort jeweils fünf Stunden Klassenunterricht zu erteilen. Er hatte nämlich 1922 die Musiklehrerstelle am Katholischen Lehrer-Seminar in Linz übernommen, was mit einer ursprünglichen Lehrverpflichtung von zehn Wochen¬ stunden verbunden war. Später trat dazu noch der Musikunterricht an der Lehrer¬ 133
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