OÖ. Heimatblätter 1949, 3. Jahrgang, Heft 2

Oberösterreichische Heimatblätter mark erwachsende Staat dem alten Stammesherzogtume Baiern Stück um Stück auf dem Boden unseres Landes abzuringen, ein Kampf, der erst vor knapp 120 Jahren zum Stillstand kam. Das Problem der alten geschichtlichen Landesgrenzen kann hier an der wichtigen Stammesscheide zwischen Öster¬ reich und Baiern an der Innviertel-Hausruck-Grenze mit besonderer Aussicht auf grundlegende Erkenntnisse verfolgt werden, während die Ennsgrenze auf der anderen Seite ebenfalls wichtige Probleme in sich birgt. Nicht bloß die Frage Baiern-Österreich kann durch die oberösterreichische Landesforschung einen wichtigen Beitrag erhalten, sondern auch jene des Ver¬ hältnisses Österreich-Steiermark, die sich ja, wie bereits erwähnt, nach der heute in Oberösterreich liegenden Stadt Steyr nennt und den Ausgangs¬ punkt des Geschlechtes der steirischen Markgrafen und damit auch der Territorial¬ bildung Steiermarks bildete. Die Geschichte der späteren Herrschaft Steyr wird uns die Schlüssel¬ stellung, welche die großen und alten „Herrschaften“ für die Ausbildung der Territorien und der landesfürstlichen Macht einnahmen, erkennen lassen. Unser Land weist noch eine Reihe anderer solcher Einheiten auf, die durch ihre noch lang erhaltene verwaltungsmäßige und rechtliche Sonderstellung einen Einblick in den Werdegang von „Ländern" und Herzogtümern zu geben vermögen; ich nenne hier Freistadt und Wachsenberg. Das Salzkammergut und das Schaunbergerland aber bergen jedes wieder eine Reihe eigener Probleme für die „Landes-Geschichte“ im engsten Sinne. War das eine, wie schon der Name besagt, lange ein Reservat des Landesfürsten, das dem Lande ob der Enns nur lose angehörte, so können wir beim Schaunbergerland das umgekehrte Bestreben wahrnehmen, einem nach Reichsunmittelbarkeit strebenden Geschlechte Zug um Zug seine Hoheitsrechte abzunehmen, um sein Gebiet schließlich vollkommen dem Herzogtum einzugliedern. Ein weiteres geschichtliches Problem von größtem Interesse ist schließlich eben das Verhältnis des Landes Oberösterreich zum Herzog¬ tum Österreich; bildete doch das Land ob der Enns mit jenem unter der Enns ein einziges Herzogtum. Hier gilt es den Begriff des „Landes' zum Unterschied oder im Gegensatze zu dem des „Fürstentums“ herauszuarbeiten. Man wird vor allem darauf achten müssen, ob sich beim Lande ob der Enns die Entwicklung in der Weise vollzog, daß zuerst bloß eine vom Landesfürsten mehr oder minder künstlich geschaffene Verwaltungseinheit gebildet wurde, die erst allmählich sich im Bewußtsein der Landesbewohner, insbesonders aber der „Stände“, durchsetzte, oder ob vom Anfange an auch von Seite der Bewohner aus eine verwaltungsmäßige Sonderstellung gegenüber dem alten Kernlande unter der Enns gefordert wurde. Es gilt also, den mittelalterlichen Brauch eines territorialen „Anschlusses“ zu erforschen. Damit haben wir eine andere wichtige Seite des mittelalterlichen Staates, der ja grundsätzlich bis 1848 herauf bestand, berührt, den Dualismus 98

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