OÖ. Heimatblätter 1949, 3. Jahrgang, Heft 2

Orel: Anton Bruckners Nachlaß durchaus auskömmliche Leben zu sagen, das er in Wien führen konnte. Vom grandseugneuralen Wesen Brahms' hatte er nichts an sich; dazu hätte es in der Tat auch nicht gelangt. Diesem seinem Antipoden gegenüber nehmen sich die Einkünfte und die wirtschaftlichen Verhältnisse Bruckners allerdings fast ärmlich aus. Aus seinen Kompositionen hatte der große Symphoniker so gut wie gar kein Einkommen. Aufführungstantiemen gab es damals noch nicht und Honorare zahlten ihm die Verleger keine; waren Symphonien, bei denen die Herstellung des Materials bedeutende Kosten verursachte, doch keine gangbare Ware. Wenn man im Ver¬ gleiche damit immer wieder auf Brahms hinweist, der bekanntlich für jede Symphonie 15.000 A Honorar erhielt, darf man nicht außeracht lassen, daß Simrock dem Symphoniker Brahms gegenüber sicherlich nicht so generös gewesen wäre, wenn er nicht als Verleger des Liederkomponisten und vor allem des Schöpfers der „Ungarischen Tänze“ gewaltige materielle Erfolge erzielt hätte. Die „marktgängige“ Ware ermöglichte die Honorierung der Werke, bei denen mit keinem Massenabsatz zu rechnen war. Bruckner hatte aber nur solche Werke auf¬ zuweisen. Wenn auch die erheblichen Herstellungskosten des Partitur- und Stimmendrucks seiner Symphonien für die Verleger durch Subventionen in weitem Maße herabgesetzt wurden, war mit solchen Kompositionen nur sehr be¬ schränkt „Geschäft“ zu machen, umsomehr als es sich damals um heiß umstrittene Werke handelte. Bruckners vergebliche Verlagsverhandlungen mit Bote & Bock in Berlin und mit Schotts Söhnen in Mainz sind sicherlich nicht auf bösen Willen der Verleger zurückzuführen, sondern auf die Ergebnisse nüchterner Kal¬ kulation, in der ein Vertrauen auf den Sieg Bruckners nicht als Aktivpost auf¬ schien. Wie gering die Verleger den materiellen Ertrag der Symphonien Bruckners veranschlagten, vermag schon die Tatsache zu beleuchten, daß im Nachlaß des Meisters die Verlagsrechte auf Grundlage der Verlegerabrechnungen nur mit 1000 fl bewertet wurden. Ungehindert und ohne Sorge um den Alltag nur seinem Schaffen leben zu können, ist ein Komponisten-Wunschtraum, der schon Beethoven zu dem Ausru veranlaßte: „Es sollte nur ein Magazin der Kunst in der Welt sein, wo der Künstler seine Kunstwerke nur hinzugeben hätte, um zu nehmen, was man brauchte; so muß man noch ein halber Handelsmann dabei sein, und wie findet man sich darein! — Du lieber Gott! — das nenne ich noch einmal sauer“ (an Hofmeister in Leipzig am 15. 1. 1801). Bis heute ist aber der schaffende Ton¬ künstler in der Regel gezwungen, sein äußeres Leben irgendwie anderweitig sicherzustellen. Die wenigen Fälle, in denen Komponisten in ihrem Schaffen allein eine ausreichende Grundlage für materiellen Wohlstand sich zu erringen ver¬ mochten, bestätigen nur die Regel. Gerade bei Brahms, der für gewöhnlich als Gegenbeispiel zu Bruckner angeführt wird, ist es aber durchaus irrig, anzu¬ nehmen, er habe etwa ein genießerisches „Nur- Komponisten - Leben“ geführt. Seine Verlagseinnahmen ließ er fast zur Gänze unberührt auf seinem Bank¬ 119

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