OÖ. Heimatblätter 1949, 3. Jahrgang, Heft 2

Decker: Die Altarswerke Meinrad Guggenbichlers hl. Leonhard in das feierliche Gold seiner in engen Wellen rieselnden Kutte. Da¬ gegen sammelt sich die perlmutterhaft blasse Körperfarbe des hl. Sebastian auf großen, ruhig umrissenen Wölbungen. Nach dem Jahre 1716, ja schon in den von Gehilfen geschnitzten Aufsatz¬ plastiken des Leonhardaltares, sinkt die Leistung der Mondseer Werkstätte jäh ab. Der Kapellenaltar von Palting (1717) und die vier Standbilder der Salzburger Kollegienkirche (1721/22) verraten des Meisters Hand und seinen Geist nicht mehr. Nur in der Gestalt des hl. Christophorus (1718) am Annenaltar in Rattenberg glüht noch eine meisterliche Erfindung nach. Selbst am äußersten Ende seines Schaffens bleibt die pietätvolle Verehrung bemerkbar, die er lebenslang für die Kunst Thomas Schwanthalers bekundet hat; noch hier klingt dessen Riesen¬ gestalt aus dem Aufsatze seines Doppelaltares in St. Wolfgang nach. Während aber die hochbarocke Gestalt in prunkendem Kraftbewußtsein sich emporstemmt und spielend die schwere Last des Christusknaben trägt, zu dem das bärtige Gesicht des hl. Riesen emporstaunt, — steht im Rattenberger Altar der müde Heilige, auf seinem Gang innehaltend, schwankenden Schrittes und mit geneigtem Haupte wie trauernd da, wogegen auf seiner Schulter das göttliche Kind mit erhobenen Armen aufjubelt. Guggenbichler hatte die Entwicklung der barocken Plastik der östlichen Alpen¬ länder seit seinem ersten großen Werke in Straßwalchen (1675) eindeutig geführt und war nach 1691 (Hochaltar in Michaelbeuern) das Vorbild für die Kunst Salz¬ burgs, des Innviertels und der Ostalpenländer geworden. Immer aber hatte seine künstlerische Umgebung die Fühlung mit seinem Schaffen gewahrt. Mit seinen Alterswerken hingegen löst sich diese Bindung. Diese vereinsamten Schöpfungen entstanden, während seine Zeitgenossen und Nachahmer noch in der vom Meister zu fesselloser Entfaltung und Ausdrucksgewalt befreiten Form schwelgten, die unter ihren Händen bald konventionell wurde. Genetisch bedeuten Guggenbichlers Alterswerke (besonders ihre Fassung) einen Rückgriff auf künstlerische Ausdrucksmittel des Manierismus, entwicklungs¬ geschichtlich aber die Schaffung einer reifen, entscheidenden Vorform des aus eigener Tradition erwachsenen alpenländischen Rokoko, dessen Entfaltung erst nach des Meisters Tode, um 1725, auf bayrischem Boden innerhalb der Generation der um 1690 Geborenen, im Kreise der Asam, Goetz und Holzinger beginnt. In der Alterswerken des Mondseer Meisters deuten auf das Rokoko die Elemente einer transzendenten Geisteshaltung, die Abkehr vom hochbarocken Pathos und seiner Monumentalität, vor allem aber die Hinwendung zu malerischer Gestaltung und der aus manieristischen Traditionen erwachsenen immateriellen und stimmung¬ schaffenden Buntfarbigkeit, endlich das Auseinanderfallen der Extreme der Ge¬ staltungsmöglichkeiten hin. Mit dieser Saat in die Furchen der Zukunft endete die Tätigkeit des Mond¬ seer Meisters. Ich habe an anderer Stelle dargelegt, daß er nicht der Erste inner¬ halb seiner Umwelt war, der eine Entelechie des Rokoko gebildet hat. Dies hatte 115

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