OÖ. Heimatblätter 1949, 3. Jahrgang, Heft 2

Decker: Die Altarswerke Meinrad Guggenbichlers mungsweckender Assoziationen, in die der Beschauer hineinstaunt, wie ein Kind in den Lichterglanz des Weihnachtsbaumes. Nicht mehr Ehrfurcht, sondern volkstüm¬ licher Zauber keimt auf. Diese an den St. Wolfganger Werken zuerst angedeutete neue farbige Er¬ scheinung begleitet und ergänzt einen sich anbahnenden neuen plastischen Stil des Meisters. Er erkauft die seelische Vertiefung, die fast mittelalterliche Schlichtheit seiner Werke mit der bewußten Abkehr von dröhnendem Pathos, leidenschaftlicher Bewegung, von räumlicher Vielfalt und jener echten Monumentalität, in welcher sich das hochbarocke Empfinden ausspricht. Sein neuer Stil bedingt mittlere For¬ mate, schafft intime Wirkungen, etwa jene bunte Zauberhöhle im Altarschrein von Kirchberg bei Eugendorf (1706/07), wo der hl. Ritter Georg vor einer Bergland¬ schaft den Drachen niedersticht, um die bebende Königstochter zu befreien. Wenn der Mondseer Meister dagegen in diesen Jahren zu monumentalen Aufgaben ver¬ pflichtet wird, wie vom Stifte Mattsee für den Hochaltar in Lochen (1709), lebt in größerer räumlicher Freiheit, aber strengerer Formenzucht das alte große Pathos seiner Mannesjahre wieder auf und nur die Sensitivität der leider neu gefaßten Bildwerke deutet seinen neuen Stilwillen an. Nach 1710 steht des Meisters Altersstil vollendet vor uns. Am sinnfälligsten vertreten ihn die unberührt erhaltenen köstlichen Plastiken an dem Altare der Wolfgangskapelle in St. Wolfgang (1713). Die Zöglinge des hl. Regensburger Bischofs, das Kaiserpaar Heinrich II. und Kunigunde, sind zu beiden Seiten des Altarblattes in tiefster Erregung dargestellt: Kunigunde schreitet hocherhobenen Hauptes, die Kleidersäume hebend, mit bloßen Füßen über glühende Pflugscharen, um im Gottesurteil ihre verdächtige eheliche Treue zu beweisen Von ihrem Blicke getroffen, steht der kaiserliche Gatte ihr gegenüber; von innerem Vorwurf und Neue ergriffen, sieht er in stiller Abbitte, leise ehrfurchtsvoll sich neigend, zu der Gerechtfertigten hinüber. Das Spiel der Gewänder betont die Affekte: In un¬ ruhigen Wellen kreisen die Säume schwingend um den Körper des Kaisers, wäh¬ rend sie sich in einfachen, nur leise rieselnden Faltenstegen um die Kaiserin legen. In diesem Bildwerke griff Guggenbichler über den geschichtlichen Abstand, der die Gattin des letzten Ottonen von seiner Zeit trennte, entschlossen hinweg: Er ließ Kunigunde nicht im hieratischen Kaiserinnenornate ihrer Zeit, in steifen byzan¬ tinischen Brokaten oder sizilianischen Seidenstoffen erscheinen, sondern stellte sie ganz im Einklange mit der naiven Phantasie des Volkes so dar, als wäre sie eine anmutige junge Bürgersfrau seiner Tage. Sie trägt das faltige Weißzeug und den bauschigen Rock, das reich verschnürte Mieder und den ländlichen Schmuck der Barockzeit, zeigt aber auch die vollkräftige Lieblichkeit seiner Zeitgenossinnen. Nur das Krönchen auf dem Haar deutet ihren Rang an. Die aufglitzernden Farben schaffen eine köstliche Entrücktheit und das Bild einer Märchenerscheinung, die wir weder als volkstümlich noch als historisierend allein, sondern als edel wirklichkeits¬ fern bezeichnen müssen. Die freie Leichtigkeit der Bewegungen steigert sich von diesen Hauptfiguren zu den begleitenden schwebenden und fliegenden Engeln und 111

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