OÖ. Heimatblätter 1949, 3. Jahrgang, Heft 2

Oberösterreichische Heimatblätter solcher höherer Lehranstalten; auch hier ist — mit Ausnahme von Kepler und einigen wenigen anderen — noch lange nicht die Wirksamkeit der an ihnen tätigen Lehrpersonen einerseits, ihr Schülerkreis anderseits erforscht. Die geistige Bildung war früher jedoch keine bloße Angelegenheit der Schule. Viel mehr als heute waren Familie und Haus, die privaten Sammlungen, seien es nun Bücher schätze in den Bibliotheken, seien es Gegenstände der Kunst oder der Natur, der Ausgangs- und Mittelpunkt alles kulturellen Lebens. Überhaupt — und das soll der Abschluß unserer Betrachtungen sein — bildet für jede Art von Geschichtsforschung und noch mehr Geschichtsschreibung der Mensch, als Einzelindividuum, als Persönlichkeit betrachtet, trotz der von uns hauptsächlich ins Auge gefaßten Zusammenschau des Wirkens der ver¬ schiedenen die Geschicke und Geschichte eines Landes ausmachenden Faktoren, doch noch immer den eigentlichen Mittelpunkt, das Endziel unserer Erkenntnis, ist doch der innerste Kern und höchste Sinn jeder Art von geschichtlicher Betrachtung eine vertiefte Selbsterkenntnis, eine Schau ins Wesen des Menschlichen überhaupt. Die höchste Kunst des Geschichtsschreibers erfordert daher die Biographie, die Lebensbeschreibung einer Persönlichkeit. Freilich sind hier die Schwierigkeiten schon im Auffinden der Quellen recht beträchtlich und noch mehr beim Zusammen¬ knüpfen all der oft unentwirrbar scheinenden Fäden, in die so ein Menschenleben, das einigermaßen aus dem alltäglichen Schicksal herausgetreten ist, hineinver¬ wickelt wurde. Mein Versuch, den Aufgabenkreis der geschichtlichen Landesforschung in Oberösterreich darzustellen, mußte sich darauf beschränken, aus dem unerschöpflichen Born des Lebens der Vergangenheit jene Probleme herauszuschöpfen, deren Lösung nicht bloß ein rein wissenschaftliches Bedürfnis ist, sondern uns auch irgendwie aus unserem eigenen Erlebnis der unmittelbaren Gegenwart heraus, die eine Zeit weltweiter Umgestaltungen genannt wer¬ den muß, besonders naheliegt. In einem Zeitalter größter geistiger und politischer Auseinandersetzungen und einer von allen Seiten auf uns einstürmenden Propaganda ist eine sauber erarbeitete Geschichtserkenntnis keine müßige Spielerei, sie gibt uns, wo uns alle anderen Waffen mangeln, einen wertvollen Beitrag zur geistigen Selbst¬ behauptung, ohne die wir die ungeheuren Schwierigkeiten niemals werden überwinden können. 108

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