OÖ. Heimatblätter 1949, 3. Jahrgang, Heft 2

Hoffmann: Aufgaben der geschichtlichen Landesforschung in Oberösterreich Oberösterreich kann stolz sein, in dem von Professor Eder verfaßten Buch über das Land ob der Enns vor der Glaubensspaltung ein Werk zu besitzen, in dem ein Querschnitt durch die Generation des kirchlichen Lebens um das Jahr 1500 in allen seinen Zweigen in einem bisher nirgends versuchten Umfang gelegt wurde. Zukünftigen Forschern obliegt die Aufgabe, die darin aufgezeigten Pro bleme in Einzelbearbeitungen nach vorne und rückwärts zu verfolgen. So sehr es für die Entfaltung des geistlichen Lebens von Nachteil war, daß hier kein eigener kirchlicher Mittelpunkt bestand, so zeichnet sich das Land ob der Enns doch auf der anderen Seite durch den Reichtum und die Bedeu¬ tung seiner klösterlichen Anlagen aus. Umso bedauerlicher ist es vom Standpunkte der Landesgeschichte, daß, ähnlich wie wir für die meisten un¬ serer größeren Städte und Märkte keine den neuzeitlichen Anforderungen ent¬ sprechenden Geschichtsdarstellungen besitzen, die geschichtliche Erforschung unseres heimatlichen Klosterlebens noch ganz unzureichend ist. Hier liegt noch ein weites und äußerst fruchtbares Feld sowohl für eine ins Einzelne gehende Kleinarbeit als auch weitspannende Zusammenschau unbebaut vor uns. Wer unsere alten Landklöster kennt, der weiß, daß es sich hier um Gemeinschaften handelt, deren Aufgabenkreis außerordentlich vielgestaltig ist; zur Zeit ihrer Gründung und noch weit bis in das 19. Jahrhundert herauf können wir ihre Tätigkeit in eine wirtschaftlich-politische, eine geistliche erzieherisch-humanistische und wie ich sie nennen möchte - gliedern. Sie sind bei uns unzweifelhaft die ältesten Pflegestätten für alle Zweige der Wissenschaften und haben bis weit herauf ins 19. Jahrhundert für unser Land in dieser Hinsicht eine beherrschende Stellung eingenommen; die Ge¬ schichte ihres Wissenschaftsbetriebes näher zu erforschen ist eine Aufgabe, die uns instandsetzen würde, die Einordnung unseres Landes in die großen geistigen Bewegungen des Abendlandes vorzunehmen. Seit der großen Zeitenwende um 1500 tritt im Gegensatz zu den meist anonym bleibenden geistigen Schöpfungen des Mittelalters die einzelne Persön¬ lichkeit mehr in den Vordergrund. Insbesonders die Reformationsbewegung ließ jetzt den Typus des weltlichen Gelehrten an adeligen oder bürgerlichen Lehranstalten mehr in den Mittelpunkt des literarisch - wissenschaftlichen Wirkens treten. Waren es im Mittelalter die geistlichen Orden, die innerhalb des ganzen abendländischen Kulturkreises vielfach die Richtung und die Probleme der geistigen Auseinandersetzung bestimmten, gewinnen nunmehr die verschieden¬ artigen höheren Schulen als Hochburgen bestimmter Lehren eine führende Stellung. Es wäre eine äußerst dankenswerte Aufgabe, an Hand der uns über¬ lieferten Matriken der Universitäten und anderen höheren Schulen einmal fest¬ zustellen, inwieweit Angehörige des Landes ob der Enns sich dort ausbildeten oder gar selbst als Lehrer tätig waren. Das Land ob der Enns besaß schließlich in der evangelischen Landschaftsschule in Linz, die als Lyceum bis in das 19. Jahrhundert fortlebte, und in der Kremsmünsterer Ritterakademie selbst zwei 107

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