Oberösterreichische Heimatblätter Während man früher die Ansicht vertrat, daß mit der germanisch-baierischen Besiedlung des Landes nach der Völkerwanderungszeit ein völliger Neubau auf allen Lebensgebieten Platz griff, haben die jüngsten Forschungen Zibermayrs gezeigt, daß auf dem Boden unseres Landes der Nachhall der 500 jährigen Römerherrschaft noch weit herauf reichte. Für die Gestaltung des kirchlich¬ religiösen Lebens erweist sich die gleicherweise in der Spätantike wie zur Zeit der frühen Christianisierung Baierns außerordentlich starke Bindung der kirchlichen Organisation an das System der Staats¬ verwaltung als ein Faktor von grundlegender Bedeutung. Von besonderer Wichtigkeit für unser Land ist die Schlüsselstellung, die das von der Spätantike bis in das frühe Mittelalter herüberreichende Bistum Lorch einnimmt, und zwar auch deshalb, weil sich das später gegründete baierische Bistum Passau als sein Rechtsnachfolger betrachtete; eine Untersuchung der bis zur Gründung des Linzer Bistums herauf reichenden Auswirkungen dieser Passauer Ansprüche und die Geschichte ihrer mit einer Kette von Urkundenfälschungen verbundenen Tradition wäre nicht bloß von großem Interesse für die Landes- und Bistumsgeschichte sondern würde uns zudem noch einen tiefen Einblick in die Art und Bedeutung der mittelalterlichen Geschichtsüberlieferung und damit einen bedeutsamen Zug im Geistesleben dieser Zeit verschaffen. Bei dem engen Zusammenspiel von staatlichem und kirchlichem Leben, wie es sich gerade in Österreich bis weit herauf in die Gegenwart immer wieder zeigt, mußte die zwiespältige Entwicklung, die sich seit dem hohen Mittel¬ alter zwischen der Gestaltung der staatlichen Verhältnisse im Gefolge der Aus¬ bildung des österreichischen Staates einerseits und dem Verbleiben im kirchlichen Verbande des eine eigene politische Einheit bildenden Fürstbistums Passau anderseits ergab, zwangsweise zur Ausbildung ganz besonderer Ver¬ hältnisse führen. Freilich würde eine Untersuchung der Auseinandersetzungen zwischen dem Bistum Passau und dem österreichischen Staat weit die Grenzen unserer Landesgeschichte überschreiten, da ja auch das Land unter der Enns in diese Diöcese einbezogen war, doch wäre es dankenswert, dem eigenen Offi¬ zialat, das für das Land ob der Enns eingerichtet wurde, nachzugehen. Selbstverständlich wäre auch die bisher noch nicht unternommene Darstellung der Entwicklung des Netzes der Kirchensprengel, nämlich der Dekanate und Pfarren, für unsere Landesgeschichte von großem Nutzen. Hier muß die Forschung sowohl von den einzelnen Pfarren und ihrer besonderen Entwicklung ausgehen, wie auch dem größeren Verbande ihre Beachtung schenken. Wirklich durchgearbeitet ist bisher nur die theresianisch-josefinische Regulierung, doch konnte die umfangreiche, von Dr. Ferihumer durchgeführte Untersuchung bisher leider noch nicht in Druck gelegt werden. Zu beachten wäre, ob und inwieweit diese kirchlichen Sprengel mit weltlichen Gebietseinheiten von Herr schaften, Landgerichten und dergleichen übereinstimmen, auf solche zurück¬ gehen oder umgekehrt deren Gestaltung beeinflußt haben. 106
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