OÖ. Heimatblätter 1949, 3. Jahrgang, Heft 2

Hoffmann: Aufgaben der geschichtlichen Landesforschung in Oberösterreich nicht untersucht; aus ihr würden wir die Geschichte der materiellen Kultur, der zivilisatorischen Lebensweise unserer Vorfahren erschließen können. Aus den überlieferten alten Rechnungsbüchern und Inventarien könnte man aber ein ganz neuartiges Bild über die Nahrung, Kleidung und den Hausrat vergangener Zeiten gewinnen; wir würden damit endlich über das bisher auf Museumsstücke be¬ schränkte antiquarische Interesse zur Erforschung der Lebensweise im allgemeinen vorstoßen. Die „Altertumskunde“ würde somit nicht mehr auf die Vor¬ geschichte und römische Geschichte beschränkt, sondern in eine bis zur Gegenwart reichende „Kultur“-Geschichte (hier im engeren Sinne zu verstehen) fort¬ geführt. Aufgabe der Volkskunde wird es dann sein, die Sinndeutung des beseelten Brauchtums — die wir auszuschalten haben — zu geben. In manchen alten Hausbüchern finden wir nicht bloß Kochrezepte, die uns Aufschlüsse über die Nahrungs- und Geschmacksgeschichte geben, sondern auch meist Anweisungen zur Herstellung von Medizinen; demselben Zwecke, nämlich der Gesundheit des Menschen, dienten auch die Heilkräuterbücher; beides sind Quellen, die bisher noch kaum eine Beachtung für die Geschichte der heimischen Medizin gefunden haben. Die bisherige Literatur beschränkt sich in der Haupt¬ sache auf die Geschichte der Epidemien, wie der Pest, Cholera usw.; aber auch hier wären die oft übertriebenen allgemeinen Angaben über die Verluste an Hand der örtlichen Sterbematriken noch nachzuprüfen, die freilich in solchen Katastrophenzeiten auch oft unzuverlässig sind. Dazu gehört auch die Geschichte des Bader- und Hebammenwesens, für die eine verhältnismäßig günstige schriftliche Überlieferung erhalten blieb. Beachtenswert wären auch die alten Heilbäder, die von der Bevölkerung außerordentlich geschätzt wurden und im ganzen Lande herum verstreut liegen; die oft anzutreffende Verbindung mit Wallfahrtsorten führt uns in das Grenzgebiet der religiösen Volks¬ kunde. Eine eigentümliche Mittelgruppe, in der sich soziale, sanitäre und religiöse Elemente miteinander verbinden, bilden die alten Spitäler, die mit unseren heutigen Heilanstalten nur sehr wenig Berührung haben. In der Hauptsache dienten die alten Spitäler für die Alters- und Armenversorgung; die wichtigste Gruppe bilden die Bürgerspitäler in den Städten und Märkten, denen am Lande die Herrschaftsspitäler für die bäuerlichen Untertanen gegenüberstanden. Die an wichtigen Land- oder Wasserstraßen liegenden alten Hospitäler, die Reisenden Verpflegung und Unterkunft gewährten, bilden schon einen Übergang zu den Gründungen der religiösen Orden. Die Ergänzung zur Vorsorge für das leibliche Wohl des Menschen, zur materiellen Kultur, bildet die Vorsorge für seine geistig - seelischen Bedürfnisse durch Religion und Bildung. Wenn wir uns mit der Geschichte der geistigen Kultur befassen, so treten uns in erster Linie die sozial-rechtlichen Einrichtungen gegenüber, denen die praktische Verwirklichung der geistigen Strebungen obliegt, hauptsächlich verkörpert durch Kirche und Schule. 105

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