OÖ. Heimatblätter 1949, 3. Jahrgang, Heft 1

Schrifttum Die erste österreichische Baufibel Als erste der österreichischen Baufibeln ist die Steirische Landbaufibel*) er¬ schienen. Sie kann nicht besprochen werden, ohne daß auf das Grundsätzliche der Baufibelfrage wenigstens in großen Zügen eingegangen wird. Seit Gottlieb Schwemmer 1932 seine „Fränkische Baufibel“ in der einfachen Absicht er¬ scheinen ließ, jenen, die in Franken bauen, zu zeigen, was wirklich fränkisch ist, hat dieser Gedanke Wurzel gefaßt und viele Anhänger unter den Heimatfreunden und Bauschaffenden gefunden. Es fand sich ein Kreis von Baumeistern und Heimatpflegern, der den Gedanken weiterentwickelte, für jede Landschaft unter den vielen für einfache Bauten auf dem Lande zur Verfügung stehenden technischen Grundformen jene zu zeigen, die in dieser Landschaft naturgegeben sind, auch unter den noch zahlreicheren Zierformen jene, die wirklich boden¬ ständig sind und so einfach, den Grundformen nahestehend, daß sie auch heute noch verwendet werden können, ohne zur Trugform oder Maskerade zu werden. Es fanden sich offizielle Kreise, dem Unternehmen der Reichsautobahnen nahestehend, die dieses Baufibelwerk förderten und ihm Rückhalt gaben. Es gab auch andere, die es heftig bekämpften und zwar unter dem Vorwand, daß es durch die Betonung der individuellen landschaftlichen Züge separatistische Bestrebungen fördere und romantische Sondertümelei sei, wobei se nach Einstellung die einen an einen Reichseinheitsbrei, die anderen an eine internationale, technische Formenwelt dachten. Männer, die Interesse daran hatten, das charaktervolle Gesicht der Heimat zu wahren, veranlaßten nach 1945 die Weiterarbeit am österreichischen Baufibelwerk. Wiederum ist neben starker Zustimmung besonders aus den Kreisen der Heimatpflege, des Baugewerbes und der in der öffentlichen Baupflege tätigen Architekten auch Zweifel und Widerspruch zu vernehmen. Zweifel befällt angesichts der allgemeinen Formauflösung oft auch Freunde und Mitarbeiter des Baufibelwerkes und läßt es als Kampf gegen Windmühlen erscheinen, hingegen beweist der Vorwurf der „Romantik“ oder der „Unterdrückung künstlerischer Individualität", daß diese Kritiker gar nicht wissen, worum es geht und Architektur nicht von Bauen unter¬ scheiden können oder wollen! Keiner Baufibel wird es einfallen, in den Bereich der Baukunst einzudringen und die schöpferische Individualität der Architekten landschaftlich einzuengen, es sei denn, diese versuchen, der Modeströmung folgend, selbst in Mundart zu sprechen oder ihren Schöpfungen eine Tracht anzuziehen. Dann allerdings gilt der Grundsatz, wenn Mundart oder Tracht, dann am rechten Platz und richtig! Das Bauen, von dem die Baufibeln handeln, liegt zu 99 Prozent überhaupt außerhalb des Einflußbereiches und der kommerziellen Interessensphäre der freischaffenden Architekten. Zu 80 Prozent vollzieht sich das Baugeschehen in Österreich auf dem Lande, außerhalb Wiens, außerhalb der großen und kleinen Städte in Märkten, Dörfern und Einschichten. Dieses ländliche Bauen besteht im wesentlichen aus einer Summe kleiner und kleinster Bauvorgänge, wobei die Umbauten und Zubauten, die Dacherneuerungen, Fensterdurchbrüche und Renovierungsarbeiten die eigentlichen Neubauten an Zahl und sichtbarer Wirkung übertreffen. Auch bei den Neubauten auf dem Lande sind die einfachsten Wohnhäuser und Landwirtschaftsgebäude durch Zahl und Verteilung für den Landschaftscharakter unmittelbar von viel entscheidenderer Bedeutung als jene Bauten, die auch hin und wieder auf dem Lande von Baukünstlern geplant und beaufsichtigt werden können. Was den unscheinbaren Dingen Bedeutung gibt, ist ihr Typ, ihr landschaftliches Gepräge und ihre Rückwirkung auf die Landschaft. Diese ist die Leitform. Sie bestimmte früher *) Steirische Landbaufibel, herausgegeben vom Verein für Heimatschutz in der Steiermark von Universitätsprofessor Dr. Viktor Geramb. Otto Müller-Verlag Salzburg. Großformat 21 X 30 cm, 112 Seiten, 220 Abbildungen, geb. S 22.—,

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