OÖ. Heimatblätter 1948, 2. Jahrgang, Heft 4

Oberösterreichische Heimatblätter Die letzten, zweifellos besten Kapitel des Buches, „Das Imperium bricht zusammen" und „Neugestaltung“, schildern sehr anschaulich das Abbröckeln des mächtigen Staatsbaues, den un¬ abwendbaren politischen Zerfall, den Übergang der Herrschaft in die Hand Fremdstämmiger, die Überflutung der Reichsgrenzen durch die germanischen Nachbarn und deren Reichsneu¬ gründungen und klingen aus in ein Lob auf das unvergängliche Kolonisationswerk des tüchtigen Baiernstammes. Den geschichtlichen Darstellungen sind eine Zeittafel und ein Schrifttum-Verzeichnis ange¬ schlossen, die gute Behelfe für den Leser bilden. Einige unvollständige Jahreszahlen in der Zeittafel (5. und 7. Zeile) können für den Laien irreführend wirken, wie überhaupt bei der Durchführung der Korrekturen allseits mehr Sorgfalt am Platze gewesen wäre. Sonst würde der Leser nicht auf so verworrene Sätze wie auf Seite 75, Zeile 31 bis 37, und Seite 78, Zeile 9 bis 13, stoßen. Vom oberösterreichischen Standpunkt aus hätten wir die Erwähnung der Anlage des Standlagers Lauriacum, das als Festung und Stadt bis in die Spätzeit eine gro߬ Rolle spielte, in der Zeittafel gewünscht, zumal die spätere Stadtrechtverleihung vermerkt ist. Abgesehen von diesen kleinen Schönheitsfehlern kann Miltners Buch, das, wie gesagt, vorwiegend auf historischem Standpunkt steht, immerhin begrüßt werden. Geschichtslehrer und Freunde der Römerforschung haben nunmehr zwei Abhandlungen, die sich gegenseitig ergänzen, vor sich, eine archäologische und eine historische. Die Forschung kann durch diese Tatsache nur gewinnen. Dr. Franz Stroh Ernst Burgstaller: Lebendiges Jahresbrauchtum in Oberösterreich. 143 Seiten und 64 Abbildungen. Salzburg 1948 (Otto Müller). Geb. S 19.—. Seit P. Amand Baumgarten im Programm des Kremsmünsterer Gymnasiums den Aufsatz „Das Jahr und seine Tage“ veröffentlicht hat, sind 88 Jahre vergangen. Wohl sind seither noch manche Zusammenfassungen des bekannten Wissens über das Brauchtum versucht worden — so im Kronprinzenwerk und in Haberlandts Volkskunde von Österreich, aber mehr als schon Baum¬ garten, auf den alle diese Übersichten fußen, berichtete, wurde kaum beigebracht. Was fehlte, war vor allem eine kritische Brauchtumskunde, die aus einem festbegründeten Wissen um die Zusammenhänge den ursprünglichen und in einem gewissen Sinne unheimlichen Stoff zur Dar¬ stellung brachte. Schon aus diesen Gründen kann ermessen werden, welch wissenschaftliches Wagnis es bedeutet, sich der Aufsammlung und Bearbeitung des Brauchtums von neuem zu unterziehen, war doch das Brauchtum schon längst tot gesagt und viele mochten meinen, daß es unnötig sei, die Totenvögel abermals nach Athen zu tragen. Was daher Dr. E. Burgstaller, der sich schon früher u. a. mit einer volkskundlichen Arbeit über die bäuerlichen Jugendgemeinschaften habilitiert hatte, erschließen konnte, war für alle eine Überraschung. Er setzte es sich zum Ziele, von neuem selbst wieder zum Volk zu gehen und hineinzuhorchen in die verschüttet geglaubten Brunnen und mit eigenen Methoden und aus eigenem Erlebnis heraus das noch vorhandene, lebendige Brauchtum aufzuzeichnen. Der Erfolg, der Dr. Burgstaller beschieden war, gehört für jeden volks- und heimatverbundenen Menschen zu den wunderbarsten Erlebnissen unserer an Glücksfällen so armen Zeit. Was Dr. Burgstaller an noch lebendem Brauchtum vorfand, übertrifft alle Erwartungen. Sehr vieles, fast die Hälfte von dem, was der Verfasser berichtet, war bisher unbekannt. Um nur einiges anzuführen: Niemand wußte bisher wirklich Bezeugtes von der Großen Rauhnacht im Innviertel; der Stoderer „Nigl“brauch schien allen etwas längst Verschwundenes zu sein. Die Hirtenbräuche des Herbstanfanges waren nun nicht mehr literarische Legenden, sondern glaubhaft belegt. Goldenes Rößl und Christbaum erstrahlten nun im Lichte ihrer wahren Bedeutung. Die Kenntnis unserer Faschingsbräuche wurde wesentlich erweitert. Hatte Baumgarten seine meister Nachrichten aus der näheren Umgebung von Kremsmünster bezogen, so gelang es Dr. Burgstaller, insbesondere das Innviertel, das Mühlviertel und das Salzkammergut aufzuhellen. Zu diesen Erfolge verhalf dem Autor ein besonderes Einfühlungsvermögen und die ausgesprochene Be¬ gabung des Mitschwingens und Teilhaftigseinkönnens an dem Geschehen, ohne das er sich, nach 370

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