Oberösterreichische Heimatblätter nis und nicht Arbeit eines Bildschnitzers. Deshalb ist es nicht weniger vollendet - seine Form ist eine endgültig entwickelte, wenn auch primitive. Reste verlorener Bewußtseinsstufen geben diesen Figuren etwas Rührendes, ja etwas Märchen nahes. Der Intellektuelle der Stadt hat aus Sehnsucht nach dieser verlorenen Kindheitswelt dann als Künstler diese Formen des Handwerks nachgeahmt und sich „eingefühlt“, ging in die Südsee oder zu unserer Bauernkunst, während die Kunstgewerbler wiederum den Boden des Handwerkes verließen, um sich als Künstler zu gebärden. Obendrein aber ging jede religiöse Bindung verloren, sodaß heute, während sich der wirkliche Kulturmensch der Stadt längst wieder auf das Religiöse als zentrales Fundament seiner Lebensschau besonnen hat, nun auf dem Land jener Materialismus ausebbt, der einen verstehen läßt, daß diese geschnitzten Herrgötter nicht anders als trostlos sein können, weil neben dem endlichen Ver¬ sanden des barocken Nachklanges auch die seelische Voraussetzung mangelt. Als die Viechtau entdeckt worden war, herrschte in der Stadt eine nicht zu leugnende Kulturebbe, während in der „grünen Viechtau“ noch in einer mittelalterlichen Ge¬ bundenheit die Holzkultur ohne Einschränkung lebt. Was konnte die Stadt geben? Die Fachschulen waren gut gemeint, man wollte das künstlerische Niveau heben. Sie brachten einen süßen „Idealismus“, später einen „Realismus“, selbstverständ¬ lich immer: das Neueste. Man wollte diesen schwer um ihre Existenz kämpfenden Menschen helfen, aber nicht, indem man ihnen das Holz billiger gab, sondern in¬ dem man ihnen die neuen Formen brachte. Die Menschen kamen in die Schule, dann blieben sie aus. Es war nicht gelungen, eine Brücke zur Holzkultur zu schlagen, die gar nicht nach neuen Formen aus sein konnte, wo sich doch ihre eigenen seit unzähligen Generationen bewährten und auf das Wesentliche abgeschliffen hatten. Das Türkenreiterlein könnte nicht mehr besser werden und nicht billiger. Die Fabriken des Westens aber machten Spielzeug aus Blech — ganz naturgetreu und echt —, damit war die Holzkultur am Ende. Krippenfiguren kann man aus Masse gießen, aus Blech macht man sie bei uns nicht (auch nicht aus Zinnguß!), hier haben wir uns ein letztes Gefühl behalten, in diesem sakralen Bezirke lassen wir uns die Wärme des Holzes nicht gerne nehmen. Dann kam auch hier der Ver¬ fall: eine Hutkrempe aus Papier, der Schlepp der Drei-Könige aus Papier. End¬ lich standen die Pagen hilflos mit leeren Händen, weil der Mantel verloren war... Einmal durfte ich Figürchen begegnen, aus Kinderträumen entstiegen. Ein Jäger mit einem kleinen Hütl schießt auf ein Wildbrat, ein Knabe reitet auf einem Hahn, ein Schulerbub steht steif mit seinem Ranzen, die Haare wie bei einer romanischen Plastik, Hut und Federnschachtel unter den angepreßten Armen. Eine wunderbare Bemalung: ein tiefes Weinrot, Spangrün und Gold! Golden sind die Geweihe, golden ist der Schemel der Melkerin, die goldgehörnte Kuh schaut zu ihr nieder... Nie wieder habe ich in solche Märchengründe gesehen. Es war einmal. Nun laufen die Drechselbänke und man fertigt Knöpfe für „Dirndln“ und malt parodierende „Bauernköpfe“ darauf. Die Schnitzer und Drechsler müssen leben. Die Vorlage kommt fertig mit, niemand braucht mehr eine Form ent¬ 340
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