Oberösterreichische Heimatblätter Dichter und sein Werk ein. Da scheint denn für Rosegger der Zeitpunkt der Wacheablösung gekommen. Wie selbstverständlich, ohne über seinen eigenen, so bedeutsamen Anteil an der eingetretenen Stifter-Renaissance auch nur an¬ deutungsweise ein Wort zu verlieren, überläßt er, der so lange einsam gebliebene Künder Stifterscher Größe, die Weiterarbeit den in der Sache zuständigen Literaturgeschichtsschreibern. In seinem untrüglichen Feingefühl für das Richtige empfindet und handelt er auch hier so ganz seinem Wesen gemäß. „Freut Dich, lieber Freund, nicht auch die Stifter-Freude, die zu seinem Hundertsten überall laut geworden ist?“, schreibt er an Freiherrn Bachofen von Echt. „Ich muß Adalbert Stifter immer noch inniger lieben, so innig, daß ich's nicht über's Herz brachte, ihm im „Heimgarten“ einen üblichen Leitartikel zu weihen.“ Also gerade zu dem hohen Gedenktage, da sich so viele Federn geschäftig rühren, will Rosegger, der alte Vorkämpfer für eine bessere Erkenntnis vor allem der ethischen Gefühls¬ werte bei Stifter, nicht literarisch Stellung nehmen. Und was könnte er denn auch Besseres und Wissenswerteres geben, als er in den verschiedenen früheren Aufsätzen, in zum Teil endgültiger Form, geboten? So zieht er es denn, wenn schon geschrieben sein muß, vor, als „wieder Ruhe über den Wipfeln eingekehrt“ ist, neuerdings von der Liebe zu reden, die er zu seinem Stifter hegt. Und er tut es doch von seiner Heimgartenkanzel aus und legt dabei in der Form einer kurzen Rückschau ein feierliches „Adalbert Stifter-Bekenntnis“ ab (Jahrgang 30, 1906). Nach wie vor bedeute es einen „Seelenfesttag“ für ihn, eines der wundersamen Naturbilder Stifters zu lesen. Ungefähr achtmal habe er seit 40 Jahren den ganzen Stifter (den „Witiko“ ausgenommen) gelesen, immer finde man neue Schönheiten und unge¬ ahnte Tiefen. Einst habe er seine Jugend in diese Bücher hineingelesen, so daß sie ihm nun daraus wieder entgegenquelle in allen ihren Erinnerungen. Im Alter, wenn man von allem übersättigt sei, komme noch einmal der in der Jugend als besonderer Freund gewählte Schriftsteller, und besonders Adalbert Stifter sei einer der treuesten. „Wer sich ihm einmal hingegeben, den läßt er nimmen Abschließend verweist Rosegger auf die seinem eigenen Schaffen durch die Be¬ schäftigung mit Stifter drohenden Gefahren: „In meine Feder schlich sich seine Art. Obschon selbst empfunden und geschaut, mußte doch manches Blatt durch strichen werden, weil es zu deutliche Züge Stifters trug ... einzelne Spuren seiner Art sind in meinen älteren Schriften nicht austilgbar.“ Am Ende aber steht die persönliche Danksage: „Jedenfalls ist Adalbert Stifter der Meister, bei welchem der literarische Lehrling am meisten gelernt, der große Dichter, dem der Mensch von der Jugend bis zum Alter so viele Freude zu verdanken hat." Als fast Sechzigjähriger bringt er in „Heimgärtners Tagebuch“, das er sich im längst von seinem Sohne Hans Ludwig herausgegebenen „Heim¬ garten“ für Betrachtungen letzter Lebensreife vorbehalten hat, tiefste Erkenntnisse um das Lebenswerk Stifters (Jahrgang 36, 1912). Sie sind so glücklich und end¬ gültig geformt, daß sie nur eine wörtliche Wiedergabe vertragen. „Aber ich las 324
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