OÖ. Heimatblätter 1948, 2. Jahrgang, Heft 4

Haslinger: Ein Herold Adalbert Stifters Natur — im lieben grünen Oberlande.“ Und als er nach Erscheinen des Buches von Heckenast zwei Exemplare erhält, dankt er dem Verleger in einem Brief vom 10. Juni 1877: „Ich habe bereits angefangen, das Werk mit Bedacht u. Andacht zu lesen u. fühle in der Lektüre dieses merkwürdigen Dichters wieder jenen Seelenfrieden wie früher, als ich ihn las, u. wie ich ihn seither bei gar keinem anderen Autor empfunden habe. Ich werde viele Wochen lang an dem Buche lesen, es ist so recht für den Sommer; u. wäre der Sommer nicht, so würde es einen machen.“ Bald darauf schrieb er an Dr. Svoboda, er könne nicht be¬ greifen, wie Stifters „langweiligstes“ Werk habe verschollen sein können, denn es sei Stifters gediegenstes Werk, eine der edelsten und reinsten Dichtungen der Deutschen. Als ein Ergebnis dieser eingehenden Beschäftigung mit dem ge¬ liebten Werk ist der genannte Aufsatz anzusehen. Roseggers nächste Jahre sind neben der Schriftstellerei und der zeitraubenden Herausgebertätigkeit mit endlosen, vielfach ärgerlichen Bemühungen um die ge¬ rechtere Wertung des Lebenswerkes Stelzhamers ausgefüllt, die gleich über sechs Jahrgänge des „Heimgartens“ reichen und in der Herausgabe der „Ausgewählten Dichtungen“ Stelzhamers gipfeln. So tritt naturgemäß, aber nur vorübergehend, sein persönlicher Beitrag im Kampfe um die Anerkennung von Stifters Lebens¬ werk zurück. Doch mit seinem Aufsatz „Vom Dichter der „Studien, Eine Skizze seines Lebens und Schaffens“ (Jahrgang 11, 1887) setzt der „Heimgärtner“ seinen Werbefeldzug um die gerechte Wertung Stifters in gewohnt geschickter Weise fort, durch Herausarbeitung der Eigenart und der Vor¬ züge von Stifters Werk, durch Abwehr von (sachlich unberechtigten) Vorwürfen verschiedenster Art. Noch immer glaubt kennzeichnenderweise auch Rosegger, Stifter als den „Dichter der Studien“ bezeichnen zu sollen. Nach knappen Lebens¬ daten verweist Rosegger auf die schon zur Zeit der „Studien“ bestandene Ansicht, „daß Stifter über den Parteien und über der Zeit stehe und der Geist der Finster¬ nis den Glanz seiner Dichtung nicht zu trüben vermöge.“ Die Abwendung Stifters von der Revolution 1848 aber begründet Rosegger wie folgt: „Nach seinem Dafürhalten durften die sittlichen Ideen der Menschheit niemals mit unsittlichen Mitteln angestrebt werden.“ Nach Hinweis auf die Auslesewirkung des Namens „Studien“, der die Leser sortiere, die Leichtfertigen fern halte, ihm aber dafü die strebsamen, gründlich angelegten Naturen zuführe, und nach einer kurzen Kennzeichnung der „Bunten Steine“ spricht Rosegger über den „Nachsommer“ der kurz mit den in ihrer Eindringlichkeit unübertrefflichen Worten des Beitrages zum Volkskalender „Das neue Jahr“ gekennzeichnet wird. Ganz besonderes Augenmerk aber wendet Rosegger in diesem Aufsatz dem „Witiko“ zu. Über das schon in seinem Stifteraufsatz in der Westermannschen Zeitschrift Gesagte hinaus bemüht er sich, den damals (und noch lange hernach) immer wieder nachge¬ sprochenen und nachgeschriebenen Doppel-Vorwurf der Weitschweifigkeit und Leidenschaftslosigkeit mit sachlich zutreffenden Gegenbeweisen zu widerlegen. Ge¬ 321

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