OÖ. Heimatblätter 1948, 2. Jahrgang, Heft 4

Oberösterreichische Heimatblätter Aber ein Dichter wie Adalbert Stifter konnte und mußte seine Werke adeln. Rosegger weist abschließend darauf hin, daß es keine Parallele zu Stifter gebe, ein Original stehe eben nur einmal da. Er fügt dann aber — sachlich richtig, doch vor allem im Sinne einer Werbung für Stifters Werk in diesem besonderen Leserkreis — hinzu: „Am ehesten wäre es vielleicht Theodor Storm, der uns in seinen seelenvollen Stimmungsbildern, Gottfried Keller, der uns in seinem wohltuenden Humor an Stifter erinnert. Noseggers Eintreten für Stifter im „Heimgarten" (1877 — 1918) Auch als Herausgeber seiner volksbildnerischen Zeitschrift „Heimgarten" hat Rosegger alles darangesetzt, Stifters Lob und Preis zu verkünden. Bereits im ersten Heft des zweiten Jahrganges (Oktober 1877) findet sich der ver¬ heißungsvolle Auftakt zu einer langjährigen warmfühlenden Werbetätigkeit des „Heimgärtners“ für Stifter und sein Werk. Entsprechend der Herausgebertätigkeit Roseggers gliedert sich diese Werbung nach dem Grundsatz einer der Sache nur förderlichen Abwechslung in Aufsätze aus Roseggers eigener Feder, redaktionelle Bemerkungen (Roseggers), Beiträge von Personen, die noch selbst Stifter nahe standen, Arbeiten von Stifter-Forschern und -verehrern und ganz oder bruchstück¬ weise wiedergegebene Werke Stifters sowie Briefe. Der erste Aufsatz gilt dem „Nachsommer“. Der Beitrag (2. Jahrgang, 1877, Oktoberheft) bringt eine besonders eingehende, fast sechs Druckseiten um¬ fassende Deutung des Werkes mit passenden Belegstellen aus dem Roman selbst und aus darauf bezüglichen Briefen Stifters an Heckenast. Wieder arbeitet Rosegger den „wunderbaren Geistesadel des Buches“ heraus. Noch schärfer als im Aufsatz für Westermanns Monatshefte weist er auf die Gegensätzlichkeit zwischen Stifters Darstellungsart und einem einseitigen Nealismus hin. „Wer das Leben schildert, wie es ist, der ist erstens ein bloßer Abschreiber, zweitens ein Hetzer, denn die Wirklichkeit entzweit uns stets und immer wieder mit uns selbst und den Idealen. Wer uns aber Gestalten schafft, wie sie sein sollen und auf Grundlage einer natürlichen Entwicklung sein könnten, der ist ein Schöpfer, der versöhnt.“ Im Anschluß an eine Stelle in einem Brief an Heckenast, in der Stifter gegenüber gewissen Entartungserscheinungen des Realismus scharf ver¬ urteilende Worte gebraucht, verweist Rosegger mit dem nunmehr schon gereiften Blick des selbst schöpferisch tätigen Kunstkritikers auf die bemerkenswerte Tatsache, daß der Dichter Stifter dieser Subjektivität des Menschen Stifter in seinem „Nachsommer“ „mit wahrhaft olympischer Ruhe“ aus dem Wege gegangen ist. Der Anlaß zu diesem Aufsatz war die im Juni 1877 erschienene dritte, gekürzte Auflage des „Nachsommers“. Rosegger hatte voll Spannung auf das Erscheinen des geliebten Werkes in dieser neuen Fassung und Ausstattung ge¬ wartet und an Heckenast geschrieben: „... wenn der „Nachsommer' fertig ist, bitte, lassen Sie mir ihn zukommen — der ist mein Gebetbuch im Tempel der 320

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