OÖ. Heimatblätter 1948, 2. Jahrgang, Heft 4

Haslinger: Ein Herold Adalbert Gtisters angehender junger Schriftsteller in Stifter abgelauschter Art so darstellt, wie erals Wunschtraum — bei nur etwas vorgeschrittener Reife des damaligen „Schülers“ hätte verlaufen können. Inhaltlich aus Wunschvorstellungen und Ehr¬ furcht vor dem großen Vorbild, der Form nach aus erster Schulung am „Meister' geboren, wollte diese Erzählung eben gar nicht die biographischen Daten bei¬ bringen, die spätere Darsteller des Lebens Stifters und Roseggers unbedingt darin gegeben zu sehen glaubten. Schon dieses erste Beispiel des nun einsetzenden jahrzehntelangen Kampfes Roseggers um eine gerechtere Würdigung von Person und Werk Stifters zeigt eine außerordentlich geschickte, in wohlverstandenem eigenem, wie im Interesse der vor¬ getragenen guten Sache auf möglichst eindrucksvolle Wirkung bedachte Darstel¬ lungsart. Sie arbeitet gern mit dem bevorzugten Mittel des literarischen An¬ fängers, dem — immer wirksamen — Mittel des Gegensatzes nach Inhalt und Form. Angeblich findet Rosegger als Bub Stifters Studie „Der Hagestolz" unter alten Liederheften, Bauernkalendern usw., das Buch hat feine, weiße Blätter und gar zarte Lettern gegenüber den rauhen und abgegriffenen Papieren der Kalender usw. Sein (literarisch hochstehender) Inhalt kommt aber gegenüber den Geschichten von der Genoveva, den 40 Räubern usw. nicht auf. Das weiße Buch verstaubt, vergilbt. Seine Stifterverehrung veranlaßt Rosegger vorgeblich in den Ferien 1867 zur Fußreise nach Linz (Wirklichkeit: Fußwanderung von daheim nach Salzburg, von da über Gmunden nach Linz mit der Bahn). Er tritt mit staubigen Stiefeln und hirschlederner Reisetasche vor den alten Herrn. — Über Linz sonnigster August¬ vormittag — Stifter sitzt in seiner Wohnung. Empfang freundlich — aber mit einer gewissen Velegenheit. Roseggers weltfremdes und staubiges Eindringen in Stifters ruhsames Heim. — Er sieht die Blässe, Furchen, eine Art von Harm im Antlitz des gegenwärtigen Stifter — nicht das heiter behäbige, volle Gesicht (des Titelkupfers der „Studien"). — Auf die Silberfäden in Bart und Haar fallen die Sonnenstrahlen, Silber des Alters und Gold der ewigen Jugend der Sonne, Dichterkrone aus Weisheit des Alters und das warme Gemüt der Jugend. — Die Sonnenstrahlen sind durch die herabgelassenen Fensterrollen vom abgedunkelten Zimmer ausgeschlossen, dafür erzählt Stifter von der Welt und den Menschen seiner „Studien“. — Dann folgt ein Gespräch über die Gemälde im Zimmer und über seine Landschaftsmalerei im allgemeinen: auf der Leinwand als Sieb bleibt nur das Grobe liegen, das Feine, Zarte und Rechte fällt durch. Der nächste auffällige Zug schon in diesem ersten Stifteraufsatz Roseggers ist, wie in den folgenden auch, der Einbau von recht nachdrücklich, ja manchmal scharf gefaßten Hinweisen, mit denen die unverdient ungerechte Wertung des Stifterschen Lebenswerkes in seinen letzten Lebensjahren und nach seinem Tode angeprangert werden soll. Der zweite Teil schildert den Besuch der Grabstätte Stifters (August 1869). Er darf als Musterbeispiel einer zur Wirkungserhöhung geradezu nach Gegensatz¬ paaren aufgebauten Darstellung gelten. Der Totengräber weiß sich nur mit Mühe 315

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