OÖ. Heimatblätter 1948, 2. Jahrgang, Heft 4

Oberösterreichische Heimatblätter 1869/70 den ersten Schritt zum Übergang von der bloßen Bewunderung des „Lieblingsdichters“ zum öffentlichen Eintreten Roseggers für Stifter. Noch ringt Rosegger selbst um allererste Anerkennung, ist kaum erst mit seinem zweiten Dialektbuch, der Geschichtensammlung „Tannenharz und Fichtennadeln“ vor die — verhältnismäßig ja begrenzte — Öffentlichkeit getreten, die überhaupt an der Mundartdichtung Anteil nimmt, und schon drängt es ihn, für Stifter und sein Werk in aller Öffentlichkeit eine erste Lanze zu brechen. Dies umso mehr, als er selbst erfahren muß und von dem in der Sache Zuständigsten, Stifters Verleger Heckenast, darüber belehrt wird, daß Person und Werk des Verstorbenen ganz offensichtlich bei der Kritik und Leserwelt immer weniger Beachtung finden. Da gilt es also, sich für das als wertvoll Erkannte und Liebgewonnene nach Kräften einzusetzen. Die sichere Erwartung, damit dem kenntnisreichsten und begeistertsten aller Stifterverehrer, Heckenast, Freude und Genugtuung bereiten zu können, hat jedenfalls dabei auch mitgespielt. Erste Aufsätze über Stifter (1869/70) So entsteht der erste der für Stifter und sein Werk werbenden Aufsätze, der bereits erwähnte Bericht „Zwei Besuche bei Adalbert Stifter“. In anerkennenswerter Selbstbescheidung fühlt sich Rosegger mit dem Werk des Großen wohl zu wenig vertraut, um eine sachliche Würdigung überzeugend vortragen zu können. So greift er lieber zu der durch ihren persönlichen Erlebnischarakter gerade für eine Zeitungsveröffentlichung besonders geeigneten Erzählform. Der für den Pester Lloyd“ bestimmte, laut Brief vom 5. Februar 1870 von Heckenast im „Ungarischen Lloyd“ veröffentlichte Aufsatz konnte bisher, trotz allen Bemühunger Dr. Latzkes, im Original nicht beigebracht werden. Doch hat Latzke mit Recht dar¬ auf hingewiesen, daß der vier Jahre später entstandene, gleichfalls die zwei Linzer Besuche Roseggers von 1867 und 1869 behandelnde Aufsatz „Den Manen Adalbert Stifters („Die Dioskuren“, 1875) eine „Neugestaltung“ des Aufsatzes „Zwei Besuche bei Adalbert Stifter“ sei. Dies wird meines Erachtens auch durch die Tatsache gestützt, daß Rosegger ein Vierteljahr später den 2. Teil dieses Aufsatzes (Besuch der Grabstätte Stifters) beinahe wörtlich für seinen Auf¬ ruf zur Errichtung eines Stiftergrabdenkmales in Linz verwertete. In der sach¬ lich berechtigten Annahme einer höchstwahrscheinlich fast wörtlichen Gleichheit der dieselben Ereignisse behandelnden Aufsätze von 1869/70 und 1874/75 wird in Er¬ mangelung der Urfassung von 1869/70 die „Dioskuren“-Fassung von 1874/75 als Grundlage folgender Untersuchung benützt. Der erste Teil schildert den 1867 im Tagebuch „Auf der Wander“ so kurz und bündig abgetanen Besuch bei Stifter in der schon oben kurz angeführten Idealdar¬ stellung. Es ist nicht verwunderlich, daß Rosegger — jetzt schon einigermaßen mit Stifters Darstellungskunst vertraut — aus seiner inzwischen herangereiften herz¬ lichen Stifterverehrung den Zauber dieser ja nie mehr wiederkehrenden Stunde einzufangen sucht und nunmehr den in Wirklichkeit einfach verlaufenen Besuch als 314

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