OÖ. Heimatblätter 1948, 2. Jahrgang, Heft 4

Haslinger: Ein Herold Adalbert Stifters vor der nach dem Schulabgang vielleicht doch noch winkenden kaufmännischen Laufbahn endgültig los zu sein. Hatte ihm doch ein gütiges Geschick durch seine eben erschienene, von Robert Hamerling warmherzig eingeleitete Buchveröffent¬ lichung, die Dialektgedichtsammlung „Zither und Hackbrett“, die Tür zu seinem alten Wunschtraum, der freien Schriftstellerei, weit aufgestoßen. „Ledig aller Pflicht“ der Schule geht er diesmal schon als verheißungsvoll eingeführter junger Schriftsteller auf die übliche sommerliche Wanderfahrt, die von den steirischen Bergen bis nach München führt. Mitten in diese Blidungs- und Erholungsreise fällt als Akt der Pietät ein zweiter Besuch in Linz, wo Rosegger, wieder ist es August, gerade zwei Jahre nach seinem ersten und einzigen Besuch bei Stifter nunmehr dessen Grabstätte aufsucht. Das war schon eine Art Pilger¬ fahrt, hatte doch Stifters Werk seit Jahr und Tag auf Rosegger zu wirken begonnen. Verbindung mit Gustav Heckenast (1869) In dem sich verstärkenden Gefühl, bei Stifter auf eine verwandte Dichter¬ natur gestoßen zu sein, wandte sich Rosegger schon zwei Monate darauf, Oktober 1869, an Stifters Verleger und Freund Gustav Heckenast, den Nachlaßver walter des gesamten Stifterschen Geisteserbes, um Überlassung der Werke Stifters zum Selbstkostenpreis. Dieser Schritt sollte für die gesamte Schriftstellerlaufbahn Roseggers von ungeahnter, entscheidender Bedeutung werden. Heckenast, der da¬ mals wohl beste Kenner der eigenartigen Welt Stifters, war als deren Ver¬ mächtnisträger zu tiefst von der Gleichgültigkeit der Zeitgenossen gegenüber diesem edlen Geisteserbe erschüttert. Er freute sich daher, einen anscheinend warm fühlenden Bewunderer des Mannes und seines Werkes gefunden zu haben, um dessen gerechtere Würdigung er ununterbrochen auf alle mögliche Weise bemüht war. So schickte er Rosegger nach und nach — als Geschenk - seinen Brief¬ wechsel mit Stifter, die Vermischten Schriften, dann auch den „Nachsommer und „Witiko“. Rosegger dankte inzwischen durch Überreichung von „Zither und Hackbrett“, dessen wirkungsvolles Vorwort seinen Eindruck auf den Verleger Heckenast nicht verfehlen konnte. Es entspann sich ein Briefwechsel, der sich besonders an der beiderseitigen Stifterverehrung rasch erwärmte. So darf das Jahr 1869 — mit Roseggers Fahrt zu Stifters Grab und der unter dem Einfluß des Briefwechsels mit dem Stifterenthusiasten Heckenast nur noch verstärkten liebevollen Beschäftigung mit dem Werk Stifters als entscheidend für den Auf- und Ausbau der dann ein ganzes Leben währenden Stifterverehrung Roseggers betrachtet werden. Dies stimmt auch zu der wichtigen in Roseggers selbstbiographischer Schrift „Am Wanderstabe meines Lebens“ ent¬ haltenen Feststellung, gegen Ende der Studien an der Handelsakademie sei ihm Adalbert Stifter zur Hand gekommen, er habe die Werke dieses Poeten in sein Blut aufgenommen und habe die Natur in Stifterschem Geist gesehen. Zwar vergeht noch einige Zeit bis zu dieser Einflußnahme Stifters auf Roseggers Schaffen nach Inhalt und Form. Wohl aber bringt die Jahreswende 313

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