OÖ. Heimatblätter 1948, 2. Jahrgang, Heft 4

Oberösterreichische Heimatblante Jahrgang2 - Heft 4 Oktober=Dezember 1948 Eferding Antlitz einer alten Stadt Von Dr. Otto Wutzel (Linz) Oberösterreich zählt heute fünfzehn städtische Gemeinwesen, die überaus reich in ihrer Geschichte, reich an Eigentümlichkeiten ihrer Vergangenheit sind. Jedes darf einer liebevollen Versenkung in seine Schicksale wert geachtet werden. Der moderne Betrachter muß freilich einen Trennungsstrich zwischen den Städten von gestern und heute ziehen. Diese sind nur mehr Siedlungs- und Wirtschaftsgemein¬ schaften von größerem Ausmaß als Dörfer und Märkte. Die Stadt des Mittel¬ alters aber war eine eigenständige, durchaus eigenwillige Erscheinung, eine korpo¬ rative Persönlichkeit, die in sich geschlossen lebte und nur aus sich verstanden werden kann. Um dies ganz zu begreifen, müssen wir den neuzeitlichen Menschen und seine Erfahrungen abstreifen. Wir müssen das damalige Land sehen, wie es war, mit wenig eingedämmten Flüssen, geringem Schutz vor Witterungsunbilden, mit rohen Straßen, auf denen als einziges Verkehrsmittel Pferd und Plachen¬ wagen fuhren, am Strom von den Zillen begleitet. Nachrichtenmittler waren allein die fahrenden Leute. Die moderne Stadt holt sich ihre Bezeichnung durch eine be stimmte Anhäufung von Menschen, eine bestimmte Größe ihrer Ausdehnung und eine auffällige Schwerpunktlagerung der Industrie oder des Verkehrs; sie ist eine Dichtigkeitserscheinung. Die mittelalterliche Stadt verdiente sich diesen Namen durch besondere Führung und Ordnung einer Siedlungsgemeinschaft; sie war ein Rechtskörper, fußend auf Handelsentwicklungen und politischen Entwicklungen, die nur ihr angehören konnten. Sie war aber auch eine Kultureinheit, die in Lebens¬ stil, Wirtschaftsform und Kunstwillen ihrer Zeit vorauseilte und dem Historiker die Brücke von den ferneren Jahrhunderten zu den neueren schafft. Es ist deshalb nicht spielerische Romantik, die uns so sehr den Zauber grauer Mauern, enger Gassen und steiler Türme lieben läßt. Die alten gewordenen Städte sind sichtbare Zeugen der Geschichte des Landes, Dokumente und Quellen, aus denen jedermann die Vergangenheit ablesen kann, nicht nur der Fachmann, dessen Welt der Urkunden und Akten dem laienhaften Geschichtsfreund verschlossen bleiben muß. Oberöster¬ reich kann sich glücklich schätzen, so viele solcher alter Plätze zu besitzen. Da sind die „stet ob der Enns“, die die landesfürstlichen genannt wurden und sieben an der 289

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