OÖ. Heimatblätter 1948, 2. Jahrgang, Heft 4

Wutzel: Eferding kennung der Gleichberechtigung der Bürgerinteressen mit dem Herreninteresse. Aus dem „Richter“ wurde mehr und mehr der „Bürgermeister“. Der Stadtrat bestand zu Anfang des Mittelalters aus 12 inneren und 12 äußeren Räten. Beide Körperschaften wurden von der Bürgergemeinde ge¬ wählt und legten auf ihr Amt ein „glüb“ ab. Ihre Mitglieder waren nach einem Schwur von 1597 Beisitzer im Stadtgericht, nach vielen anderen Quellenzeugnissen aber vor allem Berater in den Fragen der Verwaltung, später wurden sie immer mehr die ausschließlichen Träger derselben. Es trat bald eine gewisse Arbeits¬ und Aufgabenverteilung ein, der Stadtrichter vergab eben seine Gesamtverant¬ wortung unter den einzelnen Räten. Als wichtigste Funktion entwickelte sich dabei die Stadtkämmerei als Verrechnungsstelle der Stadtfinanzen. Darüber hinaus galten die Stadträte als Vertrauensleute, man sah in ihnen Persönlichkeiten mit Gewicht in Auftreten, Wort und Tat. Die Bürger wendeten sich bei allen wichtigen Anlässen an sie. Zur Lösung von Erbschaftsangelegenheiten durften sie allein herangezogen werden. Vormünde mußten den Ratscharakter tragen. Zur Besiegelung und Bezeugung von Rechtsgeschäften wählte man am liebsten ihre gewichtigen Namen. Schlichtung von Streitfällen konnte ihnen am leichtesten gelingen. Bei Meisterprüfungen und Handwerksfesten waren sie die vornehmsten Beisitzer. Der Titel „Ratsfreund“ war von wirklichem Leben erfüllt. Die Vollversammlungen der „gemain“ hießen Vogttaidinge. Taiding be¬ deutete im Mittelalter allgemein eine Versammlung mit rechtlichem Zweck. Taidingen hieß die Tätigkeit dieser Zusammenkunft, ganz gleich ob große politische Fragen oder Ansprüche kleiner Leute auf dem Spiele standen. Diese vergangenen Rechtsversammlungen erfüllen heute mit Ehrfurcht unsere Phantasie. Die Forschung sammelt eifrig ihre schriftlichen Überlieferungen und Satzungen. solches „Weistum“ ist leider für Eferding nicht erhalten geblieben. Dafür finden sich aus dem 17. Jahrhundert mehrere Aktenstücke, die das allgemeine Gesicht dieser Taidinge in Eferding zeichnen lassen. Sie waren damals Bürgerver¬ sammlungen, in denen die allgemeinen Stadtangelegenheiten verhandelt wurden. Die Anwesenheit dazu war Pflicht. Rats-, Stadtrichterwahl und Bürgeraufnahme wurden im Kreise aller Umstehenden durchgeführt. Beschwerden gegen die Stadt¬ verwaltung fanden hier ihre öffentliche Regelung. Umgekehrt gingen Bean¬ standungen der Herrschaft der Bürgergemeinde zu diesem Termin zu. Den Vorsitz führte der Stadtrichter. Die Tätigkeitspunkte erfuhren eine Niederschrift in einem Protokoll. Freilich ist bei diesem Bld die geänderte Zeit zu bedenken. Die echte mittelalterliche Form ist das nicht mehr gewesen, nur der allgemeine Charakter als Versammlung der Vollgemeinde dauerte fort. Wie in diesem Aufsatz das Bild der Stadt Eferding entworfen wurde, könnte jeder Ort sein eigenes Gemälde erhalten. Stadtgeschichte ist ein lebendiges Stück mittelalterlicher Historie, neben der Herrschaftsgeschichte vielleicht das lebendigste, weil aus beiden Fächern die vergangene Stimme des Volkes von neuem hörbar wird. 309

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