OÖ. Heimatblätter 1948, 2. Jahrgang, Heft 3

Oberösterreichische Heimatblätter Max Auer: Anton Bruckner. Sein Leben und Werk. 16.—26. Tausend. Wien 1947, Amalthea-Verlag. Textband 542 Seiten, Ergänzungsband mit Notenbeispielen 86 Seiten. Die 6. Auflage dieses Buches, die wieder vom Verlage der ersten, dem Amalthea-Verlag, in geschmackvoller Ausstattung mit vielen schönen Bildern neu herausgebracht wurde, hat Professor M. Auer durch die Aufnahme wichtiger Neuforschungen auf den heute gültigen Stand der Forschungen gebracht und damit seinem Werk den ersten Platz in der Bruckner-Literatur ge¬ sichert. Man erinnert sich: Der unvergeßliche Linzer Musikdirektor A. Göllerich, von Bruckner selber als sein Biograph bestimmt, hat die grundlegende Darstellung seines Lebens und Schaffens begonnen und konnte nur den ersten Band fertig vorlegen. Die folgenden Bände hat M. Auer herausgegeben und dabei das von Göllerich im Verein mit ihm gesammelte große Quellen¬ material verwertet. Wie er nun in dem Vorwort zum zweiten Band jenes ersten Werkes das Verhältnis seiner Arbeit zu der von Göllerich klärt, so läßt er den Abhandlungen über Bruckner volle Gerechtigkeit widerfahren, unter anderem dem stilkritisch hochwissenschaftlichen Werk von A. Orel, der künstlerisch geformten Viographie E. Decseys, dem gigantischen, ganz neue Wege musikalischer Analyse beschreitenden Werk von E. Kurth und den höchst wertvollen Arbeiten F. Gräflingers. Dabei meint er über die von ihm selbst zusammen mit Göllerich herausgegebene Biographie, daß sie „nicht als literarisches Kunstwerk angesehen werden, sondern als ein grund¬ legendes, wissenschaftlich stichhältiges Quellenwerk anerkannt sein will“. Damit ist schon eine gewisse Einschränkung ihrer praktischen Verwendbarkeit gegeben: in der Freude an der genauen Wiedergabe möglichst vieler der mühsam gesammelten Einzelheiten, in der Gewissenhaftigkeit, nur ja nichts Wesentliches zu übersehen, ist das Werk allzu sehr in die Breite gewachsen. Daher galt es, den ungeheuren Stoff zu raffen und zu sichten. Dadurch, daß diese Verdichtung von einem der beiden Autoren der ersten Biographie gemacht wurde, ist die Entstehung eines wahren Meisterwerkes erklärt. Als solches hält das in Neuauflage herausgegebene Buch die gesunde Mitte zwischen bloßer Lebensbeschreibung und psychologischer Begründung der Musik aus der Persönlichkeit des Meisters. Die Werkbesprechungen sind eine musterhafte Vereinigung wissen¬ schaftlicher Strenge mit allgemeiner Verständlichkeit. Besonders die Analysen der Symphonien lesen sich in ihrem natürlich angenehmen Stil geradezu als dichterisch wertvolle Abhandlungen ohne dabei programmatische Inhalte zu unterschieben, an die Bruckner ja niemals gedacht hat und die ihm zu seinen Lebzeiten in Konzerteinführungen wohlmeinender Freunde so geschadet haben. So konnte nur einer schreiben, der wie kein zweiter mit dem Leben und der Kunst des Großen aus Ansfelden vertraut ist und dem Bruckner die Erfüllung seines Lebenszweckes bedeutet. Nichts von billiger Schönfärberei ist zu finden: so wird der junge Bruckner ein Organist Mendelssohn'scher Richtung genannt, oder alles, was Bruckner bis zu seinem Scheiden von St. Florian aufgezeichnet hat, zum lediglichen Zeugnis seines Fleißes und seiner technischen Entwicklung gestempelt. Immer wieder zeigt Auer, wie verschieden Bruckner und Wagner voneinander sind. Nicht nur die Geistesrichtung, auch die Orchestertechnik ist eine völlig andere. „Bruckner war bloß in dem Sinne Wagnerianer, wie Wagner Beethovenianer und Beethoven Mozartianer gewesen ist.“ Tiefschürfend sind die Auseinandersetzungen über das Verhältnis der Originalfassungen zu dem von Bruckner selbst und von seinen Freunden vorgenommenenen Um¬ arbeitungen der Symphonien. Über allen musikalisch-fachlichen Fragen vergißt Auer niemals der Ethik in der Musik Bruckners gerecht zu werden. J. Unfried 280

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