Schrifttum Spaun das Wort sprach, an deren Unerträglichkeit aber Leute wie J. G. Seidl als Mundart¬ dichter gescheitert sind. Auf dem Wege also zu einem charakterlosen Ausgleich der Eigentümlich¬ keiten der einzelnen österreichischen Mundarten, über den man sich ebensowenig jemals einig werden wird wie die Schweizer über eine einheitliche schweizerdeutsche Schriftsprache. Dem Versuch aber, gerade den Klassiker der österreichischen Mundartdichtung aus dem Boden seiner land¬ schaftlichen Mundart zu entwurzeln, muß von vornherein schärfstens entgegengetreten werden. 4. In dieselbe Richtung einer Mundartkoine gehört wohl auch zumeist, was sich der Herausgeber sonst an eigenmächtigen Änderungen des Stelzhamerschen Dialektes erlaubt. So, daß er ein eindeutiges helles a Stelzhamers und der älteren Innviertler Mundart — vielleicht doch bloß aus Unkenntnis derselben — in verdumpftes a umschreibt (wáchst, láßt, halsstárri in wochst, loßt, holsstorri) und damit Stelzhamers Mundartgebrauch abermals einer alten Eigen¬ tümlichkeit beraubt. „Angsot“ für angsát (= angesät) ist ein volles Mißverständnis des Heraus¬ gebers, anderseits scheint er nicht zu glauben, daß in Stelzhamers Dialekt „d'Mahd“ mit ver¬ dumpftem a lautet, mißdeutet den Ausruf „meints“ (entstanden aus meints ös, vgl. mein Du!) als „moants“ oder verbessert á sodl und abscheudli in a so und obscheuli. Auch das sind nur Stichproben und lange nicht alles, was sich der Kenner des Innviertler Dialektes vom Herausgeber gefallen lassen muß. Da verdient es immerhin schon Anerkennung, daß er wenigstens das charakteristische ui für nasaliertes oa (muit, kui) hat stehen lassen. Um es schließlich grundsätzlich festzulegen: zwischen den Forderungen, die an eine lesbare Mundartorthographie zu stellen sind, als da sind a) möglichster Anschluß an die hochdeutsche Orthographie zum Zwecke des raschen Wortverständnisses, b) möglichst phonetische Darstellung des Lautwerkes zum Zwecke der richtigen Aussprache, c) möglichste Verwendung eines Zeichens nur für einen Lautwert, zwischen diesen Forderungen ist der Stelzhamersche Schreibgebrauch, mit den Einschränkungen, die die „Aus dá Hoamát“-Ausgabe zugunsten von b) eingeführt hat, gerade der richtige Ausgleich, bei dem man sich endlich beruhigen soll. Mögen die orthographischen und lautlichen Abweichungen der neuen Stelzhamer-Ausgabe nur den Kenner beleidigen (freilich auch den Nichtkenner verwirren), so ist weitaus bedenklicher die vom Herausgeber getroffene Auswahl. Sie verfälscht nämlich das wahre Stelzhamerbild ins Sentimentale hin. Die mundartliche Liebeslyrik Stelzhamers sucht der Herausgeber zunächst an dem Ablauf von Stelzhamers auch im Roman schon verarbeiteten Liebeserlebnis mit Tora (Antonie Nicoladoni) aufzufädeln, die ihm bekanntlich zweimal vor der Nase weggeheiratet wurde. Demgegenüber muß einmal mit Betonung festgestellt werden, daß dieses Tora-Erlebnis, so tief es dem jungen Stelzhamer auch gegangen sein mag, ein Bildungserlebnis war — das eines Bauernjungen mit einem Stadtfräulein — das zwar, stark romantisiert, auf weite Strecken hin seine hochdeutsche Dichtung beherrscht, aus seiner Mundartdichtung, die aus dem Natur¬ erlebnis seiner Dorfheimat gespeist wird, aber ohneweiters weggedacht werden kann. Die vor¬ jährigen Feiern zu Stelzhamers 145. Geburtstag haben unter dieser falschen Einstellung wahrlich genug gelitten und auch der Herausgeber walzt in seiner Auswahl alles, was irgendwie an die Tora-Geschichte erinnert, geflissentlich breit, kehrt damit die sentimentale Seite hervor und läßt so gut wie alles von der frischen und resoluten Art des bäuerlichen Liebesspieles, die auch Stelzhamers mundartliche Liebeslyrik beherrscht, unter den Tisch fallen. — Unter den Familiengefühle behandelndenden Gedichten waren die berühmten Muttergedichte freilich un¬ ausweichlich, hätten aber sehr der Ergänzung nach der männlich starken Seite durch „An Vadán seine Wünsch“ und „An Ahnl seine Lehrn“ bedurft, wofür man durch Weglassung einiger wenig besagender Liebesduette schon hätte Platz gewinnen können. Und damit steht neben einigen Naturgedichten die Auswahl schon an ihrem Ende. Nichts von den Gestalten- und Typen¬ schöpfungen Stelzhamers, die fast immer ein Teil seiner selbst sind (Dá Spiellump, Dá Hádárá, Dá Pickan usw.), nichts von dem unsterblichen Humor von „Himmel und Höll“, „Dá Mansüchtö“ und der „Faulenzia“, nichts von dem überschäumenden Lebensoptimismus, ja Lebensübermut von „O so schen is dö Welt“, „Zwischen dá Liachtn" und „Juchheirássássá“, und übersehen auch
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