OÖ. Heimatblätter 1948, 2. Jahrgang, Heft 3

Schrifttum Eine neue Stelzhamer-Ausgabe In dem Wettrennen um die von verschiedenen Verlagen angekündigte, wirklich auch schon dringend notwendige neue Stelzhamer-Ausgabe ist die Leo Kobers*) als erste durchs Ziel gegangen. Um es gleich vorwegzunehmen: nicht in der besten Form. Als einen Startfehler muß man schon die vom Herausgeber gewählte Mundartschreibung bezeichnen. Sie gibt Gelegenheit zu einigen grundsätzlichen Erörterungen über eine brauchbare und lesbare Mundartorthographie. 1. Stelzhamer hatte von dem um zwei Generationen älteren Lindemayr die Schreibung ai, ie, ue, üe für die Zwielaute oa, ia, ua, úa der Mundart übernommen. In der theresianischen Zeit Lindemayrs war das noch die übliche und offizielle Schreibung und war unmißverständlich. Stelzhamer konnte sie nach der inzwischen erfolgten Rezeption der mitteldeutschen Schriftsprache und Orthographie in Österreich in den Anfängen seiner Mundartdichtung um 1830 seinen Lesern vielleicht knapp noch als verständlich zumuten, hält aber an dieser zweifellos schon „historisch wirkenden Schreibart in allen seinen späteren Ausgaben fest. Er schreibt also brait, Dieb, Bluet, süeß. Auch Rosegger hat sie in seiner Stelzhamer-Ausgabe 1884 noch stehen lassen, die „Aus dá Hoamát“-Ausgabe von Commenda-Waitzenböck-Zötl dagegen hat sie mit Recht phonetisch umgeschrieben (broat, Diab, Bluat, süaß) und sie ist von da aus nicht nur für Stelzhamer-Ausgaben, sondern auch für die oberösterreichische Mundartdichtung Gewohnheit geworden. Mögliche Mißverständnisse, so etwa auch in Wörtern mit nur orthographischem ie (Friede, Riese, viel) den Zwielaut ia oder für ue den Umlaut ü zu lesen, wurden damit aus¬ geschaltet. Der Herausgeber ist dieser phonetischen Verständlichmachung gefolgt und darin gewiß nicht zu beanstanden. 2. Für das helle a der Mundart hat Stelzhamer zunächst ebenfalls das Lindemayrsche ä übernommen, wie die frühesten Manuskripte ausweisen. Da aber seit der josefinischen Recht¬ schreibregelung ä das Zeichen für das umgelautete a wurde, hat Stelzhamer schon in seinen ersten Druckausgaben für das helle a das Zeichen á eingeführt, wie es ihm mit demselben Lautwert in der Schreibung ungarischer Namen (etwa Graf Mailåth) untergekommen war, also Jájá, stád, Dám, trámhápád. Er verwendet es auch mit guter phonetischer Begründung für den unvollkommen gebildeten Laut, wie er besonders in unbetonten End- und Zwischen¬ silben steht: án arámá Mann. Stelzhamer hat sich auf die Erfindung dieses Zeichens nicht wenig zugute getan und schreibt gegenüber J. G. Seidl die Priorität seiner Einführung mit Entschiedenheit sich zu. Dafür konnte er nun das verdumpfte a der Mundart weiterhin unbe¬ zeichnet lassen (Ast, lachá, Vadá). Daß wir in der Schule heute dieses a mit hellem a lesen, ist eine österreichische Spezialität, die bekanntlich auf einen phonetischen Irrtum bei jener josefinischen Rechtschreibregelung zurückgeht. Sonst wird das etymologische a überall mehr oder minder verdumpft gesprochen, selbst in der Bühnenaussprache. Der erwähnte Irrtum hat ja auch dazu geführt, daß wir heute gewisse Familiennamen, wie z. B. Windischgrätz, Träxlmayer, falsch aussprechen, da man sie eben, um die Kirchenmatriken nicht Lügen zu strafen, mit ä weiterschrieb. Ortsnamen wie Graz, Garsten haben sich knapp vor demselben Schicksal gerettet. In Stelzhamers „Ahnl“ findet sich (Vers 759) eine diese damalige Neueinführung scharf bezeichnende Stelle. Er läßt die Ahnl, indem sie die alte Zeit lobt und sich ihres einstigen Schulmeisters erinnert, sagen: „Awá dö junjá (Schullehrer) hánd á nímmá das, sit 's A á hoaßt“, d. h. also seit das dumpfe a wie helles a ausgesprochen werden muß. — Die Aus¬ gabe „Aus dá Hoamát“ hat diese Stelzhamersche Regelung ebenso mit Recht beibehalten. Der Herausgeber geht aber davon ab und „ein paar vorsichtige Schritte“ weiter: er gibt *) Franz Stelzhamer, Ausgewählte Dichtungen. Herausgegeben von Dr. Leo Kober. Verlag Brüder Hollinek, Wien 1948. XII und 382 Seiten. S 36.—.

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