OÖ. Heimatblätter 1948, 2. Jahrgang, Heft 3

Oberösterreichische Heimatblätter Johannes Brassicanus Ein Beitrag zur Linzer Musikgeschichte der Spätrenaissance Otto Rommel hat erstmalig die bedeutenden, bisher aber wenig beachteten Leistungen Wiens im Rahmen des gesamteuropäischen geistigen Schaffens der Renaissance dargestellt *). Nicht allgemein dürfte auch die Tatsache bekannt sein, daß die oberösterreichische Landeshauptstadt ebenfalls einen wenn auch nur kleinen Anteil im Rahmen des österreichischen Renaissanceschaffens aufzuweisen hat?) Die verhältnismäßig geringe Bedeutung, die der Stadt mangels einer landes¬ fürstlichen Hofhaltung im Vergleiche etwa zu Wien oder Salzburg bis weit ins neunzehnte Jahrhundert zukam, hatte allerdings zur Folge, daß die geistigen Aus¬ wirkungen der Renaissance — von Einzelerscheinungen, wie dem Aufenthalte Johannes Reuchlins 3) (1492/93), Delius Dichterkrönung *) (1492), der Aufführung des „Ludus Dianae“ von Conrad Celtis5) (1501) oder der Lehrtätigkeit des Leonhard Eleutherobio6) (1524) abgesehen — erst zu einer Zeit wirksam werden sollten, da diese Epoche in ihren großen Mittelpunkten — Rom, Florenz, Venedig und Wien — bereits ins letzte Stadium getreten war und zum Barock überleitete: um die Wende des sechzehnten zum siebzehnten Jahrhundert. Die geographische Lage der Stadt als Schnittpunkt wichtiger Verkehrswege von Nord nach Süd und von West nach Ost gab ihr, wie dem österreichischen Raum überhaupt, von jeher sowohl in wirtschaftlicher als auch kultureller Beziehung die Eigenart eines Durchzugsgebietes; es ist daher nicht weiter verwunderlich, daß es überwiegend landesfremde Persönlichkeiten waren, die sich in Linz nieder¬ ließen, um dort als Vertreter der Spätrenaissance ihr Wirken zu entfalten. Unter ihnen — es seien hier nur der schlesische Poet Georg Calaminus?) (1547 — 1595), der Kärntner Polyhistor Hieronymus Megiser s) (um 1553 — 1619), der steirische *) Wiener Renaissance. Herausgegeben von Otto Rommel. Klassiker der Wiener Kultur Bd 1 (Wien - Zürich o. J.). 2) Für den oberösterreichischen Raum vgl. etwa N. Newald, Beiträge zur Geschichte des Humanismus in Oberösterreich, Jahrbuch des oberösterreichischen Musealvereines Bd 81 (1926) S. 153 ff. und A. Gräfin Coreth, Job Hartmann von Enenkel, ein Gelehrter der Spätrenaissance in Österreich, Mitteilungen des Instituts für Geschichtsforschung und Archivwissenschaft in Wien Bd 55 (1944) S. 247 ff. 3) Vgl. K. Schiffmann, Johannes Reuchlin in Linz, Bilder aus vergangenen Tagen (Linz 1947) S. 5 ff. *) Vgl. E. Simonsfeld, Itinerario di Germania del anno 1492 (Venetia 1903), S. 20. 5) Vgl. K. Schiffmann, Drama und Theater im Lande ob der Enns, Jahresbericht des Museum Francisco-Carolinum Bd 63 (Linz 1905) S. 26 ff. 6) Vgl. B. Bossert, Zwei Linzer Reformations-Schriftsteller, Jahrbuch der Gesellschaft für Geschichte des Protestantismus in Österreich Bd 21 (1900) S. 131 ff. 7) Vgl. K. Schiffmann, Magister Georg Calaminus, ein Schulmann des 16. Jahrhunderts in Linz, Beiträge der österreichischen Gruppe der Gesellschaft für deutsche Erziehungs- und Schul¬ geschichte, Bd 2 (1899). 8) Vgl. M. Doblinger, Hieronymus Megiser, Leben und Werke, Mitteilungen des Instituts für österreichische Geschichtsforschung Bd 26 (1905), S. 431 ff. 258

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