OÖ. Heimatblätter 1948, 2. Jahrgang, Heft 3

Bausteine zur Heimatkunde weinung Christi in Goisern von ca. 1520. Gegenüber solchen Werken aber trägt die „Beweinung von 1517“ den Zug zu Vereinfachung und Sammlung, zu summarischer Formengebung und monumentaler Ruhe; es sind dies bereits Wesenszüge der Hochrenaissance. Darüber hinaus aber zeigt unser Tafelgemälde bereits deutliche Merkmale, die für den beginnenden Manierismus kennzeichnend sind. In der Farbengebung drängt sich eine irrationale stimmungsweckende Gewalt der glühenden Farbkörper vor; wenn der Leichnam Christi im Bilde übergroß erscheint, so liegt darin gewiß noch ein Weiterleben der Formen der spätmittel¬ alterlichen Heiligen Gräber, in denen der Gottesleichnam fast die ganze Länge der Gesamtdarstellung erfüllt. Wenn aber im neugewonnenen Gemälde die Glied¬ maßen des Herrn in ausdrucksvoller Magerkeit überlang hervortreten und sein Kopf klein erscheint, wenn die Arme der einzelnen Personen absichtsvoll parallel geführt werden und so die Gebärden gleichsam verdoppeln, wenn endlich die Hände sich zu unvergeßlich einprägsamen Gruppen vereinigen, so sind hierin un¬ bedingt manieristische Züge zu erblicken, die um 1517 im Nordalpenraum über¬ raschend wirken. Dieses Meisterwerk steht also in der vordersten Front der Stil¬ entwicklung seiner Zeit: alles andere als eine provinzielle Leistung. Es wäre oberflächlich, die „Beweinung von 1517“ wegen der stimmungs¬ haften Kraft ihrer Farben und wegen des Ineinanderwirkens von Figuren und Landschaft mit dem überholten Stilbegriff des „Donaustils" abtun zu wollen. Von den gleichzeitigen Meisterwerken z. B. Albrecht Altdorfers (Gemälde in St. Florian 1518) trennt unser Bild eine gegensätzliche künstlerische Gesinnung. Die getragene Ruhe und Feierlichkeit der neugewonnenen Tafel, die bewußte Beschränkung auf wenige Vordergrundfiguren scheidet sie eindeutig von der klein¬ meisterlichen Erzählerfreude des Meisters von Regensburg, dessen Kunst letzten Endes von der Buchmalerei herstammt und sich in der Raumtiefe in liebevoller Detailschilderung auslebt. Ebenso verlockend wie unrichtig wäre es, die Beweinung dem Passauer Maler Wolf Huber zuzuweisen, der nachweislich 1510 die erhaltene Vedute des Mondsees mit den umliegenden Bergen gezeichnet hat. In Hubers datierten Gemälden, die erst 1519 einsetzen, erscheint eine ganz andere Einordnung der Menschen in die Landschaft und eine wesentlich plastischere Körpermodellierung als in unserem Bild. Gerade der ergreifende Ton tiefen monumentalen Ernstes, der aus dem Mondseer Gemälde spricht, unterscheidet es von den Bildern des „Donau¬ stils“ im weitesten Sinne, etwa den wild bewegten Schöpfungen des „Meisters von Altmühldorf“ und des „Meisters der Maria Magdalena“. Gerade diese innere Größe und Ruhe ist der überzeitliche Stempel der Kunst Salzburgs, der die „Beweinung von 1517“ eindeutig zugehört. Diese Bestimmung wird durch die Stellung der Kunst des Stiftes Mondsee, die ein Bindeglied zwischen der Kunst Salzburgs und der Oberösterreichs darstellt, vollends erklärt. Derselbe Geist spricht auch aus dem um 1520 ebenfalls im Bannkreise Mondsees ent¬ standenen Relief der Beweinung Christi in Straßwalchen, das A. Feulner ver¬ suchsweise mit dem in Salzburg und Passau tätigen Plastiker J. Pocksberger in 255

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