Oberösterreichische Heimatblätter ständnis der Lateinunkundigen sich erschließen sollen. Ausgehend von dem rein schulmäßigen Zweck der Wortübertragung und Verdeutschung wurden die Glossa¬ toren zu Pionieren, die der christlich-romanischen Wissenschaft den Boden bereiteten. Galt es doch vorerst die christlich-römische, dem germanischen Denken fremde Begriffswelt umzuprägen und faßbar zu machen. Der praktische Schulgebrauch, aus dem heraus die Mondseer Glossen entstanden, bedingte auch die Anordnung nach fortlaufenden Kapiteln und gibt zugleich Aufschluß über das wissenschaftliche Rüstzeug althochdeutscher Klosterbildung. Diese kulturelle, wie wirtschaftliche Blüte Mondsees erfuhr durch die Über¬ antwortung der Abtei in das Eigentum des Hochstiftes Negens¬ burg einen jähen Bruch. „Locus hic mutat male sortem pontificique datur“. beklagt der Chronist 15) die Umwandlung der Reichsabtei in ein bischöfliches Eigen¬ kloster, wie dies im Jahr 831 durch den Besitztausch Ludwig des Frommen mit dem Bischof von Regensburg bedingt wurde 16). Die Abwanderung eines Teiles der Mönche, die sich dieser Umwandlung nicht fügen wollten, vor allem aber das scharfe Zugreifen des bischöflichen Klosterherrn in das Wirtschaftsleben er¬ schütterten zutiefst das Gefüge der Abtei. Und wie mit den Besitzungen des Klosters frei geschaltet und diese sogar der Abtei entzogen wurden, so verlor Mondsee auch das Recht der freien Abtwahl und sank herab zu einem bloßen Wirtschaftsposten für Regensburg, zu einer Propstei, deren Vorsteher der Bischof frei und willkürlich ernannte. Besonders sinnfällig äußert sich dieser tiefgreifende Wandel im Urkunden¬ wesen des Klosters, dessen alter, im 9. Jahrhundert angelegter Traditionskoder hiefür zum trefflichen Spiegel wird 17). Ausgehend vom Gründungsjahre 748 erscheinen dort die Abschriften der Schenkungsurkunden (traditiones) bis 829; nach diesem Jahre bis 854 werden nur noch sieben Urkunden mitgeteilt. Diese Erscheinung findet im Eigenkirchenwesen ihre Begründung, da der bischöfliche Klosterherr auch alle wichtigeren Urkunden an sich zog und deren Abschriften daher nicht mehr im Traditionsbuche von Mondsee, sondern in dem von St. Emmeram in Regensburg zu finden sind. Das augenfälligste Beispiel hiefür bietet die Schenkung des Abersee-Forstes durch Ludwig den Frommen (829), kurz vor der Übergabe Mondsees; sie findet sich bereits im Regensburger Traditionskoder ver¬ zeichnet. Als 943 überdies noch der Ungarnsturm das Kloster plündernd und sengend überflutete, konnte der drohende Zusammenbruch nur durch den helfenden Zugriff des Landesfürsten abgewendet werden 18). In dieser Krise erstand Mondsee ein mächtiger Gönner gerade von jener Seite, wo Hilfe am wenigsten erhofft werden konnte. Mit Wolfgang, der 973 15) Chron. Lunael. S. 73; Monumenta Germaniae, Scriptores 15/2, S. 1099 —1104, Historia monasterii Manse metrica v. 192. 16) J. Zibermayr. Die St. Wolfgangslegende in ihrem Entstehen und Einflusse auf die österreichische Kunst (Linz 1924), S. 9 f. 17) J. Zibermayr, Das oberösterreichische Landesarchiv in Linz (Linz 1930), S. 1. 18) Chron. Lunael. S. 95. 196
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