OÖ. Heimatblätter 1948, 2. Jahrgang, Heft 3

Burgstaller: Gegenwärtiges Jahresbrauchtum in Oberösterreich Eigene Weiberfeste (Roasn und Weiberfasching) erhielten sich bis heute nur in Obertraun und im Sauwald. Das größte gesellschaftliche Ereignis des brauchtümlichen Jahres bildet auch nach dem Kriege wieder der berühmte, besonders durch den staatlichen Volksbil¬ dungsreferenten von Oberösterreich, Dr. H. Commenda, geförderte „Rudenkirta“ in Sierning, dem heuer nicht weniger als 5000 Besucher zustrebten, um die 30 Ruden (Kameradschaften) zu sehen, die dort ihr hervorragendes Können in Lied und Tanz zeigten. In allen Teilen Oberösterreichs kennt man das Faschingbegraben, übt es aber nur mehr selten. Das einst beliebte Hinrichten der Faschingpuppe ist seit 1938 nur mehr vereinzelt (z. B. im Mühlviertel) belegbar. Einen gewaltigen Aufschwung nahmen die Bräuche des Palmsonntags. Die Formen der Palmbäume sind gebietsmäßig im großen und ganzen besteher geblieben, doch trifft man die „offenen“ und „geschlossenen“ Bünde zumindest im mittleren Innviertel gegenwärtig stets nebeneinander. Beträchtlich verringert aber hat sich die Höhe der Palmstangen, die im Sauwald auf Wunsch der Geist¬ lichkeit von 12 auf 4 —6 m verkürzt wurden. Im mittleren und oberen Innviertel beträgt die durchschnittliche Höhe der Bäume etwa 2 m, doch kommen seit jeher in Mettmach, Waldzell und Aspach bestimmte Bauern mit so großen Bäumen in die Kirche, daß die Palmen, im Presbyterium aufgestellt, die Spitze des Altares über¬ ragen. Den Schmuck bilden hauptsächlich Apfel, für deren fachgemäße Durchbohrung sich in vielen Bauernhäusern noch eigene ahlenartige Eisengeräte erhielten. Weiters zieren sie Rekrutenbüschel, Glaskugeln; bunte Bänder und Kirschblüten (Sauwald). In den letzten Jahren windet man zu dem „Segenbüschel“, wohl infolge eines all¬ mählichen Mißverstehens der eigentlichen Bedeutung der verschiedenen Segen¬ pflanzen, auch Veilchen und Schneerosensträußchen (Ried i. J.). Das Behängen mit Brezen nimmt jenseits des Gurtenbaches wieder zu, der Schmuck mit ausge¬ blasenen Eiern und versilberten oder vergoldeten Nüssen und Kletzen ließ sich seit 1939 nicht mehr nachweisen. Die Anzahl der zur Weihe in die Kirche gebrachten Bäume hat im Innviertel, Mühlviertel und in Teilen des Traunviertels beträcht lich zugenommen, wenngleich dieser Brauch in der Hauptsache aus einem ehe maligen Burschenbrauch zu einem Kinderbrauch wurde, den nunmehr auch Mädchen ausüben können. Im Sauwaldgebiet sind indes bis heute für die Mädchen nur kleine Büschel aus Palmzweigen üblich geblieben. Seit 1947 zeigt sich der in Linz seit langem übliche Brauch, Palmbüschel auf Gräber zu setzen, auch auf dem Land. Das Ratschengehen hat sich im ganzen Land mit denselben Geräten und un¬ gefähr in derselben Stärke wie vor dem Kriege erhalten. In Linz bürgerte sich seit 1946 der Ratschenbuben-Umzug von Don Bosco ein, der wohl der einzige Fall eines solchen Brauchtums in einer oberösterreichischen Stadt sein dürfte. Das bedeutendste Brauchtum des Gründonnerstages stellt das „Leiden-Christi-Singen“ in Traunkirchen dar, das sich — wie eine monumentale 237

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