Oberösterreichische Heimatblätter Der Martinitag hat seine einstige Stellung als Termintag und zum Teil auch als erste Rauhnacht vielfach verloren, doch beginnt wieder das bekannte „Martlloben“ mit Festmahl und Martinikrapfen und das Ausspielen und Ver losen der Martinsgans. Im oberen Mühlviertel erhielt sich der Knabenbrauch des lärmvollen Umzuges beim „Wolfablassen“ in unverminderter Stärke. Der Nikolaustag ist der erste, an den sich noch heute allgemein reicheres Brauchtum heftet, aber auch dieses ist in einem gewissen Rückzug und Form¬ wandel begriffen. Mit Ausnahme des unteren Innviertels sind seit 1937 die großen Nikolauszüge, insbesondere des oberen Innviertels, Steyr- und Stoder¬ tales, wesentlich zurückgegangen. Gleichzeitig gewinnt die Vorliebe für Nikolaus¬ kränzchen mit rot ausgeschlagener Teufelsbar auch in kleinen Orten (im Innviertel wie im Salzkammergut) an Boden. Der Rückgang bewirkt im wesentlichen eine Vereinheitlichung der Namen und Ausstattung der Schreckgestalten. So ver¬ schwinden die Bezeichnungen Leutfresser, Klaubauf, ja selbst Nigl und Midlao zugunsten des einheitlicheren Niglo, Kramperl oder Krampus. Gleichzeitig ver schwinden auch manche Gestalten: sah man noch 1937 im Stodertal Zigeuner, Jäger, Gendarmen, Grassatmandl, Gaißweibel und Habergaiß, und liefen auch 1947 im Innviertel noch Stiere, Hunde, ja sogar der Tod im Nikolauszug, so gehen doch die meisten dieser Gestalten heute in die schwarz oder rot gewandeten pelz¬ tragenden Krampusse über. Erhalten hat sich aber der Brauch der alpenländischen schönen, weißen, gabenbringenden Nikolausfrau und ihrer häßlichen Inn- und Mühlviertler Spielformen, des „Körblweibels“ (Sauwald) und der „Fetzenresl' (Donautal). Die größte Umwandlung brachte das unaufhaltsame Vordringen der Gestalt des Bischofs mit sich, die seit den ausgehenden Dreißigerjahren Allgemeingut ist, aber oft noch in Kleidung und Funktion ihre Herkunft von dem „weißen Niglo oder anderen weißen Gabenbringern kundtut. Im Sauwald, wo sich das Inn¬ viertler Nikolausbrauchtum am besten erhielt, trug er noch 1943 den Bänderstab, wie er aus der Amtstracht der Hochzeitslader bekannt ist. Heute führt er auch dort schon den Krummstab. Ziemlich allgemein verschwunden sind auch die Stroh¬ hüte, Stiefel, weißen Pelze, Ketten und Butten, mit denen er noch vor dem Krieg vielerorts ausgestattet war. In ständigem Rückzug befindet sich, wenn auch nicht in dem Ausmaß, wie man gewöhnlich annimmt, die Beliebtheit der Haber¬ gaiß, die wohl in den Städten und Märkten verschwindet, in den Dörfern aber noch in den absonderlichsten Formen vom einfachsten, unförmigen Schreckgespenst bis zum strohgewandeten Dámon und der Schweins-, Stier-, Bock- und Schimmel¬ maske weiterlebt und durch ihre Formen- und Namensvielfalt die Erforschung dieses merkwürdigen Untiers überaus erschwert. In jüngster Zeit tauchten auch, als einzige Brauchtumseinwirkung durch fremde Einwanderer, im Gebiet der Welser Heide schnabelperchtartige Habergaißen auf, die von Ukrainern für die Dorfkinder hergestellt wurden. 230
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