Burgstaller: Gegenwärtiges Jahresbrauchtum in Oberösterreich läufige Bewegung beobachten lassen, doch besteht begründete Aussicht, daß sich die Brauchtumsfreudigkeit der Bevölkerung stets auf einem gewissen Stand hält. Dafür scheinen in erster Linie die verschiedenen Jugendbünde zu bürgen, die sich z. B. im Salzkammergut als Jungglöckler oder junge Armbrustschützen zusammen¬ schließen oder im Innviertel unter der Leitung ihres eigenen Zechmeisters stehen, aber von den älteren Zechkameraden desselben Ortes überwacht und betreut werden. Im Innviertel sind sie heuer bereits durch die stattliche Anzahl von Maibäumen sichtbar in Erscheinung getreten, die sie neben den Bäumen der Burschenzechen aufgestellt haben. Wir brauchen auch im dörflichen Brauchtum (im Gegensatz zu den Entwicklungen in den Märkten und Städten) keine besonderen Fehlentwicklungen zu befürchten und dürfen uns, wie dies insbesondere die heurigen Maibaumbräuche bewiesen, mit einem ruhigen Beobachten begnügen, ja wir können in manchen Einzelheiten an der Regiegewandtheit und Darstellungskraft einzelner Zechengruppen nur lernen. Doch soll damit keineswegs gesagt werden, daß es nicht wünschenswert wäre, in vorsichtiger, zurückhaltender Form auf die Hebung des Gesamtstandes der Dorfkultur einzuwirken. Die Zechen selbst zeigen sich, von einigen ganz eigenwilligen Gruppen abgesehen, für kluge Anregungen durchaus aufgeschlossen und dankbar, wenn der Vermittler die richtige Form trifft, denn sie sind sich ihrer Führerstellung innerhalb der Dorfgemeinschaft voll bewußt und haben den ehrlichen Willen, vorbildlich für das Gesamtleben des Dorfes und vor allem für die entsprechende Erziehung der ihnen anvertrauten männlichen Dorf¬ jugend zu wirken. Im folgenden soll versucht werden, einen knappen Überblick über die wich¬ tigsten Bräuche zu geben, die jetzt noch lebendig sind oder erst vor so kurzer Zeit aufgegeben wurden, daß man sie ebenfalls noch als gegenwärtig ansprechen darf. Ich stütze mich dabei, außer auf die aufmerksam verfolgten Nachrichten in den oberösterreichischen Zeitungen, vor allem auf die Erfahrungen und Erkundigungen, die ich durch häufiges Durchwandern der Landschaft und Miterleben und Auf¬ nahme der Bräuche gesammelt habe, und die Mitteilungen meiner zahlreichen Bekannten und Mitarbeiter, die regelmäßig befragt wurden, um ein möglichst abgerundetes Bild zu gewinnen. Wenn wir die Lage innerhalb der einzelnen Abschnitte des Jahresbrauchtums beobachten, ergibt sich für Allerseelen, das die Schwelle zur winterlichen Jahreshälfte bildet, daß zwar der übliche Gräberschmuck und -besuch in gleichem Ausmaß erhalten geblieben ist, daß sich aber die bekannten Lichterbräuche erheb¬ lich eingeschränkt und die Ausgabe der Spendbrote, der Seelweckerl und Seel¬ laiberl während des zweiten Weltkrieges vollständig verloren haben. Erst 1947 wurden in einzelnen Gehöften des oberen Mühlviertels wieder schwarze Seel¬ laiberl ausgegeben. In wenigen Stücken wurden auch die schönen, S-förmigen „Himmelsleitern“, die hauptsächlichsten Allerseelengebäcke des Kirchdorfer Be¬ zirkes, wieder von einigen Bäckern hergestellt. 229
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