Burgstaller: Gegenwärtiges Jahresbrauchtum in Oberösterreich Gegenwärtiges Jahresbrauchtum in Oberösterreich Von Dr. E. Burgstaller (Linz) Ein Überblick über die gegenwärtige Lage des oberösterreichischen Brauch¬ tums ergibt, daß es in unserer Heimat in größerer Reichhaltigkeit und Lebenskraft erhalten blieb, als man dies nach den zwei Weltkriegen und den nicht weniger brauchtumszerstörenden Nachkriegsjahren zwischen den beiden Zusammenbrüchen erwarten würde. (für die Die Gründe für die große Brauchtumsfreudigkeit der Bevölkerung sich übrigens schöne Parallelen aus der Zeit nach 1918 beibringen lassen), scheinen Ausmaß, in folgendem zu liegen: zunächst ist, wenn auch in sehr bescheidenem immer noch da und dort die Meinung vorhanden, daß ein Unterlassen gewisser Bräuche eine merkliche Abnahme der Feldfruchtbarkeit im kommenden Jahr nach sich ziehe. Dies gab z. B. in den Kriegsjahren 1941 —44 Anlaß dazu, daß in einem kleinen Innviertler Ort die Mädchen an Stelle der eingerückten Burschen die Nikolauszüge durchführten, damit auch die nächste Ernte gut gerate. In den weitaus meisten Fällen aber sind die Kräfte, die heute zur Pflege des dörflichen Brauchtums führen, psychischer Art. Die Heimkehrer haben die geliebte Heimat lange entbehrt und stürzen sich nun mit einer gewissen Leidenschaft in jedes Erlebnis, das ihnen während ihrer langen Militärzeit als teures Erinnerungsbild der Heimat wertvoll geworden war. Und dazu gehören namentlich die Gemein¬ schaftserlebnisse des Brauchtums. Wie nach 1918 eine Unzahl von „Zechen“, „Ruden", „Passen", „Gesellschaften“ und „Kameradschaften“ in den verschiedenen Teilen des Landes als Vereinigungen der jungen Burschen neu entstanden, so erblühten diese Verbände seit 1945/46 in fast noch reichlicherem Ausmaß. Und überall sind gerade diese bündischen Gruppen auch die Hauptträger des Brauch¬ tums: der wiedererweckten Umritte, Maskenzüge, Maibaumbräuche und -kämpfe, des Firststehlens und „Bockhäutelns“, vor allem aber der Veranstaltungen, bei denen getanzt wird. Waldfeste und Hochzeiten mit mehr als 20 Zechen und darüber sind im Innviertel nicht selten. Zwar dringen dabei auch moderne Tänze, sehr gefördert durch die weibliche Jugend, aufs Land, sie finden aber nicht den Gefallen der lieber mehr exakt-turnerisch, kraftvoll-gewandt sich betätigenden Burschen, die daher viel lieber als die Mädchen dem altüberlieferten Ländlertanz treu bleiben. Gleichzeitig setzt auch die bekannte altbairische Vorliebe für eine gewisse Entfaltung von Prunk und Buntheit ebenso wieder ein wie die Freude am schauspielerischen Gepränge und Darstellen. Hierin liegen wohl wesentliche Gründe 227
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