Oberösterreichische Heimatblätter Höhepunkt und Verfall War der Durchbruch zur höchsten volkskünstlerischen und technischen Eigen¬ leistung auf der Bucherser Seite etwa um 1800 gelungen, so erreichte das Gebiet von Sandl usw. gegen 1830 den Höhepunkt seines Könnens. Die dritte Entwicklungsstufe (zwischen 1830 und 1860) kenzeichnet sich anfangs in einer fortschreitenden Befreiung aus den Bindungen an die Vorbilder und den hüttentraditionellen Ornamentschatz. Die Techniken vermengen sich. Ich besitze Belegstücke für die Herstellung von Farb- und Rußbildern nach Spiegelbilder¬ Rissen, bei denen man die für das Schriftband vorgesehene Sockelzone ornamental ausgefüllt hat. Es gibt Stücke, in denen die barocken Füllhörner, die Roccailles des Rokoko, die Vasen des Empire bis zur völligen Unkenntlichkeit umgeformt und von naturfernen stilisierten Phantasieblüten überwucherten und aufgesogen scheinen. In der dritten Generation ließ jedoch die formschöpferische Kraft nach; die Sicherheit der volkskünstlerischen, unbekümmerten Umgestaltung und Verarbeitung der als „gesunkenes Kulturgut“ aufgenommenen Vorlagen wich einem ängst¬ lichen Streben nach naturalistischer Nachahmung. Gleichzeitig brach eine Sturm¬ flut billigster Öldrucke über das Bauernland herein. Die Hinterglasmaler ver¬ suchten sich anzupassen, wurden ihrer Tradition, Technik und Werkgerechtigkeit untreu und der Geschmack ihrer bäuerlichen Abnehmer verdarb. Als auch noch die Überschwemmung des Landes mit noch billigeren Lithographien eintrat, machten die Hinterglasmaler in unserem Gebiet — aber auch ebenso die zu Außergefild im westlichen Böhmerwald, wie die von Haberspirk im Egerland den Versuch, auch den Steindruck nachzuahmen. Unter Verzicht auf das Eigenste und Beste ihrer einstigen Kunst, die Farbigkeit, malten sie die Konturen nach den ererbten Rißvorlagen nur mehr in schwarz-weiß-grauen Tönen aus. Diese traurigen Erzeugnisse (um und nach 1860) stellen die vierte Entwick¬ lungsstufe dar und waren der Anfang vom Ende der Hinter¬ glasmalerei unseres Gebietes als Volkskunst. Was später noch folgte, gehört (trotz Wiederaufnahme der Buntheit mittels chemischer Farben) unserem Thema nicht mehr an, sondern muß unter dem Begriff „Andenkenindustrie“ für Sommerfrischler und städtische Liebhaber abgetan werden. Die Verbreitung unserer Sandlbilder Von der Verbreitung der Sandlbilder innerhalb unseres heutigen Bundes¬ gebietes konnte man sich noch vor einigen Jahrzehnten in den meisten Bauern¬ häusern und zahlreichen Dorfkapellen leicht überzeugen. Heute muß man zu diesem Zweck schon meist die Sammlungen der Heimathäuser und Ortsmuseen, aber auch mancher Privatleute und Kunsthändler heranziehen. Die Hinterglasmaler in Sandl und Umgebung versorgten aber nicht nur die bäuerliche Bevölkerung unserer Heimat mit dieser beliebtesten Form des Andachts¬ 220
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