OÖ. Heimatblätter 1948, 2. Jahrgang, Heft 3

Knaipp: Die bäuerlichen Hinterglasbilder von Sandl, Buchers und Umgebung mehr ganz abgerissen zu sein, seit sie in der Antike, vorwiegend in Byzanz, zur Anwendung gekommen war. Ob sie sich von dort aus auch über den Orient bis nach Ostasien verbreitet hat, oder im Fernen Osten aus eigener Erfindung neu¬ entstanden ist, müßten erst künftige Untersuchungen erweisen. Jedenfalls scheint festzustehen, daß am Beginn der Neuzeit nahezu an allen Brennpunkten künst¬ lerischer Kultur in Europa und Asien die Anwendung der Hinterglasmalerei zu¬ mindest bekannt war. Im Abendland dürfte sich die italienische Malerei des 13. Jahrhunderts ihrer zuerst wieder bedient haben. Sie hat sich sehr schnell auf die Niederlande, das Gebiet des Niederrheins und der Hansestädte ausgebreitet, wo Stücke aus der Zeit ab 1230 auftreten. Die Ausstrahlung von Venedig, wo eine Massen¬ erzeugung (Murano) entstanden war, hat durch die Jahrhunderte nach Norden Westen und Osten fortgewirkt und sich im schwäbisch-baierischen Raum mit der Rückstrahlung aus Holland begegnet. Das 17. Jahrhundert zeigt Beispiele aus Prag, Frankreich, Spanien usw., während ein Zweig sich schon früher von Venedig aus über den Balkan bis nach Rußland hinein verbreitet haben dürfte. Auch die Goldschmiedekunst und das ausstattende Kunsthandwerk hat sich seit dem hohen Mittelalter wiederholt des durch Schliff, Metallauflage oder Farbuntermalung gezierten Glases bedient. Die neueste Zeit hat alle diese Möglichkeiten in den Dienst des profansten Kunsthandwerks, der Reklame, gestellt. Vor dieser Profanierung aber hat das bilderfreudige Zeitalter des Rokoko, sämtliche verschiedenartigen technischen Möglichkeiten der Tafelglasveredlung zu¬ sammenfassend, dem Hinterglasbild eine letzte und höchste Blütezeit verliehen. Während der vorwiegend in den Städten gepflegte malerhandwerkliche Zweig der Hinterglasmalerei mit der ganzen modischen Blüte des Rokoko schnell verwelkt ist (die aus dieser Wurzel stammende volkstümliche Hinterglasbilderzeugung des bayerischen Oberlandes verdankt ihr Fortleben nur der allmählichen Anpassung an das volkskünstlerische Vorbild der Glashüttengebiete!), gelang dem hütten¬ gewerblichen Zweige der Durchbruch zur echten Volkskunst infolge Verarbeitung und Überwindung, ja sogar Neubelebung der aus der Hochkunst übernommenen Formelemente. Seit der Hochblüte der Gotik hatte keine Stilrichtung mehr s. umstürzend auf die Volkskunst unseres Raumes, des Kreuzungsgebietes der baierisch¬ österreichisch-böhmischen Kunstströmungen, eingewirkt, wie das Rokoko. Wie die mittelalterliche Hochblüte in der sogenannten Bauerngotik bis in das 18. Jahr hundert hinein fortgelebt hat, so fand auch die Spätblüte des Barock in unserer Volks- und Bauernkunst einen Nährboden, der sogar in der Großstadt Wien noch neben allen klassizistischen Strömungen des 19. Jahrhunderts das „Zweite Rokoko bis in die 60er Jahre fortleben ließ. Und eben jene Zeit nach den Kriegen von 1864 und 1866 brachte ja unsere ganze Volkskunst zum Absterben. Diesem Ein¬ schnitt in unserer Volkskultur fiel neben der Keramik- und Möbelmalerei, neben dem Volksschauspiel und dem größten Teil des Brauchtums auch die Hinterglas¬ malerei von Sandl, Buchers und Umgebung zum Opfer. 217

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