Oberösterreichische Heimatblätter Herausgegeben vom Institut für Landeskunde am o.-5. Landesmuseum in Linz durch Dr. Franz Pfeffer Juli-September 1948 Jahrgang 2 Heft 3 Inhalt Seite Dr. Felix Wintermayr: Die Benediktiner-Abtei Mondsee. Zur Zwölfhundertjahrfeier 748—1948 193 Friedrich Knaipp: Die bäuerlichen Hinterglasbilder von Sandl, Buchers und Umgebung. Ein Querschnitt durch die neuesten Forschungen. 214 Dr. E. Burgstaller: Gegenwärtiges Jahresbrauchtum in Oberösterreich . . . Bausteine zur Heimatkunde Josef Aschauer: Jungsteinzeitliche Funde südlich von Steyr 244 Richard Kastner: Die einstige Pfarre Hofkirchen bei Saxen. Zur Geschichte einer ver¬ schwundenen Kirche Heinrich Decker: Ein Tafelgemälde der Beweinung Christi von 1517 aus Mondsee. 253 Friedrich Knaipp: Der Salzträgerbrunnen in Gmunden. Ein Beitrag zur Geschichte seiner Entstehung Dr. Othmar Wessely: Johannes Brassicanus. Ein Beitrag zur Linzer Musikgeschichte der Spätrenaissance ... Dr. Hans Commenda: Bärenbegräbnis. Ein alter Jägerbrauch aus dem Salzkammergut Karl Braunschmid: Landla-Gstanzln aus Pucking . . . . . . . . . 272 Verzeichnis der Oberösterreichischen Neuerscheinungen . . . . . . . . . . . . Schrifttum. 281 Dr. Eduard Straßmayr: Heimatkundliches Schrifttum über Oberösterreich 1947 Jährlich 4 Hefte Zuschriften für die Schriftleitung (Beiträge, Besprechungsstücke) an Dr. Franz Pfeffer, Linz a. D., Museumstraße 14 Zuschriften für die Verwaltung (Bezug) an die Buchdruckerei des Amtes der o.-ö. Landes¬ regierung, Linz a. D., Klosterstraße 7 Verleger und Eigentümer: Verlag des Amtes der o.-ö. Landesregierung, Linz a. D., Klosterstr. 7 Herausgeber und Schriftleiter: Dr. Franz Pfeffer, Linz a. D., Museumstraße 14 Druckstöcke: Klischeeanstalt Franz Krammer, Linz a. D., Klammstraße 3 Druck: Buchdruckerei des Amtes der o.-5. Landesregierung, Linz a. D., Klosterstraße 7
Oberösterreichische Hemawladte Heft Z Juli-Geptember 1948 Jahrgang2 Die Benediktiner-Abtei Mondsee Zur Zwölfjahrhundertfeier 748 —1948 Von Dr. Felix Wintermayr (Wien) Gründung und erste Blüte Sagenhaft verhüllt in seinen Anfängen, ragt das 748 begründete Kloster Mondsee herüber aus der Frühgeschichte Bayerns *), eng verbunden mit dem Geschick des agilolfingischen Herzogsgeschlechtes. In Herzog Odilo ehrte die Abtei das Gedenken ihres Stifters, dessen weitblickende Klosterpolitik ihn und seinen Nachfolger Tassilo III. zum Gründer jener herzoglichen Eigenklöster werden ließ, die wie ein Gürtel sich um Bayern schließen 2). Iro-schottische Mönche waren die ersten Missionäre, die Kreuz und Kultur in dieses abgeschiedene Wald- und Seengebiet Alt-Bayerns brachten und auf deren Arbeit die aus schwäbischen Klöstern berufenen, nach der Regel Kolumbans lebenden Mönche weiter auf¬ bauten 3). Daß deren Aufgabe sich nicht auf das Gebet beschränken sollte, wie *) Das Klostergebiet von Mondsee mit dem Wolfgangsland, sowie die Herrschaft Wildenegg samt Vogtei gehörten anfangs zum Herzogtum Bayern und kamen erst nach dem bayrisch¬ pfälzischen Erbfolgekrieg zu Österreich (1506). Der Name Mondsee erfuhr im Laufe der Jahrhunderte verschiedene Wandlungen und wird allgemein auf die halbmondförmige Gestalt des Sees zurückgeführt: Mannsee, Männsee, Mennsee, Meansee, Monsee, Moninsee, Maninseum, Maningsee, Lunaelacus. Auch die Erklärung als Besitzername wurde versucht: „See des Mano“. N. Wimmer, Aus Mondsees Vergangenheit (Salzburg 1947); S. 35, 72. Kloster wie Markt führten den Mond im Wappen. Das alte Klosterwappen zeigt den Voll¬ mond über dem bewegten See. Anfangs des 17. Jahrhunderts wurde es abgeändert und es er¬ scheint nun in der oberen Hälfte auf Rot die nach links blickende Mondsichel, in der unteren Hälfte auf dem wogenden See drei goldene Boote mit je einem roten Ruderer. Der Markt über¬ nahm dieses Wappen an Stelle des 1567 verliehenen Marktwappens, das in der unteren Hälfte des Schildes den wogenden See in natürlicher Farbe, im oberen Felde einen halben, nach unten gekehrten Mondschein und zu beiden Seiten einen Stern zeigt. 2) K. Fastlinger, Die wirtschaftliche Bedeutung der bayrischen Klöster, Studien und Darstel¬ lungen aus dem Gebiete der Geschichte (Freiburg 1903) II. S. 120. 3) J. Zibermayr, Noricum Baiern und Österreich (München und Berlin 1944), S. 243. Die Mondseer Tradition, wonach Benediktinermönche aus Monte Cassino berufen wurden, wird als eine aus der späteren Zeit, da Mondsee bereits Benediktinerkloster war, stammende Erfindung nachgewiesen. 193
Oberösterreichische Heimatblätter dies zwar der Stiftungsbrief betont *), beweist schon das größtenteils aus unge¬ rodetem Waldland bestehende Stiftungsgut. Kulturarbeit galt es da vor allem zu leisten, den anvertrauten Boden zu roden und nutzbar zu machen. Im Schutze St. Michaels, den sie zum Patron ihres Seeklosters erkoren, begannen die Mönche die Klostermark zu bearbeiten. Die Drachentöter St. Michael und St. Georg waren vorzüglich die Kirchenpatrone jener altbayrischen, in düsterem Forst oder an unwegsamen Mooren gegründeten Wald- oder Seeklöster 5). Dem Mönchstum der bischöflichen oder herzoglichen Eigen¬ klöster, einer für die damaligen Verhältnisse großartigen Arbeitsorganisation, gelang denn auch die kulturelle Durchdringung jener weiten Landstriche und die Schaffung ertragfähigen Bodens. Dieser vorwiegend wirtschaftlichen Aufgabe diente die Errichtung von Wirtschaftszellen, die vom Mutterkloster aus besiedelt und geleitet wurden. Die Ortschaften Neut, Zell am Attersee und Abtsdorf im Osten, Zell am Moos im Westen der Klostermark kennzeichnen den wirtschaftlichen Wirkungsbereich, der durch die Erwerbung des Zellersees mit der reichausge statteten Pfarre Straßwalchen seine Abrundung erhielt (799) 6). Für das eifrige kolonisatorische Wirken des Klosters zeugen ferner die zahlreichen im Streukegel Mondsees liegenden Rodungsorte: Raith, Röd, Münchsreith, Inner- und Außer¬ roith, Niedschwand, Ober- und Unterschwand *). Schon mit Rücksicht auf den weitausgedehnten Besitz war es den Mönchen nicht möglich, mit eigener Kraft das Rodungswerk zu schaffen. Einen wichtigen und wesentlichen Bestandteil des vom Herzog gestifteten Klostergutes bildeten daher die Knechte und Dienstbauern, unter denen sich zahlreiche Romanen erhalten hatten. Die Festigung der wirtschaftlichen Grundlagen, die schon unter dem ersten Abte Opportunus (748 —777) das Kloster zu Wohlstand und Reichtum gelangen ließ, begründete auch die politisch gehobene Stellung der Abte unter der Herrschaft der letzten Agilolfinger. Abt Opportunus, der führend erscheint bei der Synode von Dingolfing (772), wie auch bei der Gründung Kremsmünsters 7), Abt Hunrich (777 — 799), der mit Bischof Arno von Salzburg in wichtiger diplomatischer Mission nach Rom entsandt wurde, gehörten jedenfalls zum Kreise jener Männer, die am herzoglichen Hofe Geltung und Einfluß besaßen ?). Der Zusammenbruch des agilolfingischen Herzogshauses und die Eingliederung Bayerns in das Frankenreich Karls des Großen bedingten die Umwandlung des herzoglichen Eigenklosters in eine Reichsabtei. In dieser Zeit mag auch in Mondsee, ähnlich wie in Niederaltaich, die Regel des hl. Benedikt zur Ein¬ ) Chronicon Lunaelacense iuxta seriem Abbatum a B. Archivario Lunaelacensi. Pedeponti 1748. Als Anhang dazu die Mantissa Chronici, 1749. Wertvolle Quelle infolge der darin abgedruckten Urkunden des Stiftsarchivs und des abgedruckten Bibliothekskataloges. 5) Fastlinger, S. 51, 53, 136. 6) Chron. Lunael. S. 24. *) O. Schmid, Beiträge zur Geschichte des ehemaligen Benediktinerstiftes Mondsee in Ober¬ österreich, Studien und Mitteilungen aus dem Benediktinerorden Ig 3 und 4 (1882/83), Ig 3 S. 129. 194
Wintermayr: Die Benediktiner-Abtei Mondsee führung gekommen sein 8). Im Sinne seiner Klosterpolitik übergab Karl, der in den altbayrischen Klöstern Stützpunkte der gestürzten Dynastie erblickte, nach dem Tode des Abtes Hatto (804) das Kloster Mondsee seinem bewährten Kaplan und Kustos, Bischof Hildebold von Köln als Kommende ?). Der Kommen¬ datar-Abt bezog die Einkünfte des Klosters und führte dessen Rechtsvertretung, mit der Administration und geistlichen Leitung des Konventes aber war ein Stellvertreter betraut 10 In Erzbischof Hildebold fand Mondsee einen großzügigen Förderer seines Besitzstandes; er war es auch, der den Strom karolingischer Kultur und Bildung überleitete in das waldumrauschte Seekloster 11). So brachte er seinen Mönchen als kostbare Gabe des gelehrten Kreises um Alkuin die deutsche Übersetzung der alkuinschen Bibelrezension und verschiedene kirchliche Texte, von denen auf seine Anregung Abschriften angefertigt wurden, wobei der alemannisch-fränkische Dialekt des Originals in die österreichisch-bayrische Mundart abgeändert wurde. Bruch¬ stücke dieser für die damalige Zeit ganz einzigartigen literarischen Leistung, die, frei von den Fesseln mühsamer wörtlicher Übersetzung, Sinn und Inhalt des Textes bieten wollte, blieben als Bucheinbände erhalten. Aus diesen Bruch¬ stücken, die nach dem Urteil der Literaturgeschichte zu den ältesten deutscher Denkmälern kirchlichen Schrifttums zählen 12), ließen sich außer dem Matthäus-Evangelium noch der Isidorische Traktat „de fide catholica contra iudäeos“, Teile der 76. Predigt des hl. Augustinus, sowie zwei Traktate unbe¬ kannter Verfasser wieder herstellen. Die Auswahl der Texte, in denen sich Karls Bestrebungen nach praktischer Volksbildung und wissenschaftlicher Untermauerung der Glaubenslehre widerspiegeln, mehr aber noch die sprachliche Form der Über¬ setzung weisen auf den karolingischen Hof und die von ihm ausstrahlenden kulturellen Strömungen. Der Übersetzer des Isidor-Traktates wurde mit diesem Werke zum Begründer der deutschen Kunstprosa. Die vom Frankenreiche übernommenen Kulturgüter erfuhren in Mondsee selbständige Weiterbildung und so konnte dieses gerade wegen der Pflege der deutsch-sprachlichen Literatur neben den Klöstern Wessobrunn, Freising, Tegernsee, St. Emmeram in Regensburg und Salzburg eine führende Stellung in Bayern behaupten 13). In diesen altbayrischen Landklöstern vollzog sich allmählich das Werden des bayrisch-österreichischen Schrifttums, wie es seinen literarischen Niederschlag in den „Mondseer Glossen“ fand 14).Auch hier aber ist es vorzüglich kirchliche Literatur, die Bibel, die Kirchenväter, die dem Ver¬ 8) J. Zibermayr, Noricum, S. 245. *) Hildebold, Erzbischof von Köln 785 —819. Gams, Series episcop. cath. 269. 10) A. Hauck, Kirchengeschichte Deutschlands (Leipzig 1906), Bd 2 S. 202. 11) Chron. Lunael. S. 31 f. 12) J. W. Nagl-J. Zeidler, Deutsch-Österreichische Literaturgeschichte, Hauptband (Wien 1899) S. 129; G. Ehrismann, Geschichte der deutschen Literatur (München 1932), Bd 1 S. 280. 13) Ehrismann, Bd 1 S. 86. 14) Die Handschrift befindet sich in der Nationalbibliothek Wien, Nr. 2 195
Oberösterreichische Heimatblätter ständnis der Lateinunkundigen sich erschließen sollen. Ausgehend von dem rein schulmäßigen Zweck der Wortübertragung und Verdeutschung wurden die Glossa¬ toren zu Pionieren, die der christlich-romanischen Wissenschaft den Boden bereiteten. Galt es doch vorerst die christlich-römische, dem germanischen Denken fremde Begriffswelt umzuprägen und faßbar zu machen. Der praktische Schulgebrauch, aus dem heraus die Mondseer Glossen entstanden, bedingte auch die Anordnung nach fortlaufenden Kapiteln und gibt zugleich Aufschluß über das wissenschaftliche Rüstzeug althochdeutscher Klosterbildung. Diese kulturelle, wie wirtschaftliche Blüte Mondsees erfuhr durch die Über¬ antwortung der Abtei in das Eigentum des Hochstiftes Negens¬ burg einen jähen Bruch. „Locus hic mutat male sortem pontificique datur“. beklagt der Chronist 15) die Umwandlung der Reichsabtei in ein bischöfliches Eigen¬ kloster, wie dies im Jahr 831 durch den Besitztausch Ludwig des Frommen mit dem Bischof von Regensburg bedingt wurde 16). Die Abwanderung eines Teiles der Mönche, die sich dieser Umwandlung nicht fügen wollten, vor allem aber das scharfe Zugreifen des bischöflichen Klosterherrn in das Wirtschaftsleben er¬ schütterten zutiefst das Gefüge der Abtei. Und wie mit den Besitzungen des Klosters frei geschaltet und diese sogar der Abtei entzogen wurden, so verlor Mondsee auch das Recht der freien Abtwahl und sank herab zu einem bloßen Wirtschaftsposten für Regensburg, zu einer Propstei, deren Vorsteher der Bischof frei und willkürlich ernannte. Besonders sinnfällig äußert sich dieser tiefgreifende Wandel im Urkunden¬ wesen des Klosters, dessen alter, im 9. Jahrhundert angelegter Traditionskoder hiefür zum trefflichen Spiegel wird 17). Ausgehend vom Gründungsjahre 748 erscheinen dort die Abschriften der Schenkungsurkunden (traditiones) bis 829; nach diesem Jahre bis 854 werden nur noch sieben Urkunden mitgeteilt. Diese Erscheinung findet im Eigenkirchenwesen ihre Begründung, da der bischöfliche Klosterherr auch alle wichtigeren Urkunden an sich zog und deren Abschriften daher nicht mehr im Traditionsbuche von Mondsee, sondern in dem von St. Emmeram in Regensburg zu finden sind. Das augenfälligste Beispiel hiefür bietet die Schenkung des Abersee-Forstes durch Ludwig den Frommen (829), kurz vor der Übergabe Mondsees; sie findet sich bereits im Regensburger Traditionskoder ver¬ zeichnet. Als 943 überdies noch der Ungarnsturm das Kloster plündernd und sengend überflutete, konnte der drohende Zusammenbruch nur durch den helfenden Zugriff des Landesfürsten abgewendet werden 18). In dieser Krise erstand Mondsee ein mächtiger Gönner gerade von jener Seite, wo Hilfe am wenigsten erhofft werden konnte. Mit Wolfgang, der 973 15) Chron. Lunael. S. 73; Monumenta Germaniae, Scriptores 15/2, S. 1099 —1104, Historia monasterii Manse metrica v. 192. 16) J. Zibermayr. Die St. Wolfgangslegende in ihrem Entstehen und Einflusse auf die österreichische Kunst (Linz 1924), S. 9 f. 17) J. Zibermayr, Das oberösterreichische Landesarchiv in Linz (Linz 1930), S. 1. 18) Chron. Lunael. S. 95. 196
Wintermayr: Die Benediktiner-Abtei Mondsee den Bischofsstuhl von Regensburg bestieg, erfuhr das von seinen Vorgängern gegenüber den bischöflichen Eigenklöstern geübte Ausbeutungssystem jähe Wand¬ lung. Nicht, daß er das Eigenkirchenwesen aufgehoben hätte, daran hielt er fest gleich seinen Zeitgenossen, überzeugt von dessen Richtigkeit und rechtlicher Begründung, doch war Wolfgang bestrebt, seine Herrenrechte zum wirtschaftlichen und disziplinären Aufbau seiner Klöster auszuüben. Der Geist St. Benedikts, den er als Mönch des Klosters Einsiedeln in sich aufgenommen hatte, wirkte weiter in ihm bei der Reform des Domstiftes St. Emmeram. Die strengen „Einsiedler Consuetudines“, die hier zum Vorbild wurden, leiten über zu dem großen Cluniazenser Ideenkreis, mit dem Abt Gregor von Einsiedeln (960— 996), während seines Aufenthaltes in England vertraut wurde 19) Die Neubelebung des streng monastischen Ideals forderte aber als wichtige Grundbedingung die wirtschaftliche Hebung der verfallenen Konvente. Wolfgang wandte ihnen den Nutzgenuß ihrer Güter wieder zu, verzichtete aber damit zugleich auf einen bedeutenden Teil seiner bischöflichen Einkünfte 20). In dieser Zurück¬ stellung persönlichen, materiellen Vorteils, zugunsten der von ihm vertretenen Lebensanschauung, offenbarte dieser deutsche Kirchenfürst eine Charakterstärke, die ihn weit erhob über seine bischöflichen Standesgenossen. Die nähere Verbindung Wolfgangs mit Mondsee und die Verpflanzung der Neformideen in dieses entlegene Seekloster liegt in den politischen Wirren be¬ gründet, die nach dem Tode Otto I. ausbrachen, als Herzog Heinrich II. von Bayern mit dem jugendlichen Otto II. um die Herrschaft im Reiche rang. Um nicht durch erzwungene Parteinahme sein Bistum in diesen Bürgerkrieg zu ver¬ wickeln, verließ Bischof Wolfgang um 976 seine Residenz und zog sich in das entlegene Waldgebiet seines Klosters Mondsee zurück. Nun konnte er auch diesem arg daniederliegenden Konvent seine Sorge zuwenden und zugleich die Reform durchführen. Von dieser Tätigkeit Wolfgangs, der während seines freiwilligen Exils die disziplinären und wirtschaftlichen Angelegenheiten in diesem weitent¬ legenen Sprengel seiner Diözese ordnete, wissen spätere Geschichtsquellen jedoch interessanterweise nichts zu berichten. Bereits in der ältesten Mondseer Chronik (12. Jahrhundert) preist der Dichter die Wiederherstellung des Klosters als Werk Kaiser Heinrichs II. 21). Die alten Mondseer Annalen, die noch Aventin für seine bayrische Chronik verwenden konnte und die später leider verloren gingen, berichteten hingegen vom Aufenthalt und Wirken Wolfgangs in Mondsee, von dem allerdings die spätere „Wolfgangslegende“ nichts übernahm. Diese auf¬ fallende Retusche am Bilde des Heiligen, der zum weltabgewandten Einsiedel wird, findet ihre Erklärung in der scharf tendenziösen Einstellung gegen den bischöflichen Klosterherrn, die darum auch in Wolfgang nicht so sehr den Bischof von Regens¬ 19) E. Tomek, Studien zur Reform der deutschen Klöster im 11. Jahrhundert (Wien 1910), S. 96. 20) J. Zibermayr, St. Wolfganglegende, S. 7. 21) Monumenta Germaniae, Scriptores 15/2, S. 1104. 197
Oberösterreichische Heimatblätter burg und somit den Nachfolger und Vorgänger der Ausbeuter Mondsees er¬ blicken wollte, sondern viel lieber den asketischen, die Welt fliehenden Eremiten 22) Die historisch nicht zu begründende Verlegung der Wirksamkeit Wolfgangs an den gleichnamigen See wurde bedingt durch die Sorge Mondsees um die dort gelegenen gefährdeten Forste. Denn obwohl diese bereits seit 829 dem Kloster gehörten, konnte es erst im 12. Jahrhundert von Regensburg den Nutz genuß von diesem Besitz erlangen. Die ehrwürdige Gestalt Bischof Wolfgangs sollte nun Schutz gewähren vor weiterem Zugriff des Hochstiftes, wie später der Erzobtei Salzburg. Dem gleichen Zwecke dienten schließlich die Fälschung, bzw Verfälschung des Diploms Ludwigs (829), sowie der Bulle Innozenz II. (1142); in beiden Urkunden erscheint der Heilige, seine Kapelle, oder die nach ihm benannte Ortschaft als Mittelpunkt des gefährdeten Forstgebietes. Anfänglich war der im späteren Mittelalter weltberühmte Wallfahrtsort jedenfalls Sitz der Forstver¬ waltung dieses Gebietes, bald allerdings und schon aus Vorsicht gegenüber dem Ausdehnungsstreben Salzburgs, das am gegenüberliegendem Seeufer eine Wirt schaftszelle errichtete, mag Mondsee dort eine Kapelle erbaut haben. Bereits 1183 erscheint dieses Kirchlein als Filiale der Pfarre Mondsee. Die erst viel später, zu Ende des 13., Anfang des 14. Jahrhunderts einsetzende Verehrung des heiligen Wolfgang rankte sich dann um dieses alte, ursprünglich dem hl. Johannes, dem Täufer, geweihte Kirchlein 23), der auch zur Zeit der Hochblüte der Wolfgangs¬ verehrung von den Wallfahrern verehrt wurde. Im Kloster Mondsee blieb das Andenken und die Verehrung Wolfgangs stets lebendig und fand sinnvollsten Ausdruck durch dessen Aufnahme in die Profeßformel, wo er neben St. Michael und Petrus als Patron erscheint. Der von Wolfgang angebahnte Neuaufbau Mondsees ermöglichte die Wieder¬ aufnahme der alten Kulturarbeit, der Pflege von Kunst und Wissenschaft, wie diese in den Klöstern als den Bildungsstätten der Nation damals geleistet wurde. In den Klosterschulen wurde nach dem römischen Lehrsystem der sieben freien Künste das antike Bildungsgut weiter überliefert und dort fand auch in der klösterlichen Annalistik das erwachende historische Interesse seine erste Ausdrucks¬ form. Die in ihren Anfängen ins 9. Jahrhundert reichenden „Mondseer Annalen gehörten somit zu den ältesten, nachweisbaren Quellen bayrisch-österreichischer Geschichte; ihr Verlust ist daher für die Forschung umso schmerzlicher. Nach dem Tode Bischof Wolfgangs bekam Mondsee neuerdings die harte Faust Regensburgs zu fühlen und Bischof Gebhard begann alsbald wieder den größten Teil des Klostergutes und der Einkünfte an sich zu ziehen. Schon schien der Verfall des Reformwerkes unvermeidlich, als Kaiser Heinrich II., der einstige Zögling Bischof Wolfgangs dem Kloster zum Helfer wurde 24). Selbst bestrebt, in den königlichen Abteien das aszetische Leben neu zu beleben, begünstigte 22) J. Zibermayr, St. Wolfganglegende, S. 11, 31. 23) J. Zibermayr, Noricum, S. 345. 22) Chron. Lunael. S. 108. 198
Wintermayr: Die Benediktiner-Abtei Mondsee Heinrichs Regierung die Ausbreitung der Cluniazensischen Ideen und so hatte bereits in den ersten Jahrzehnten des 11. Jahrhunderts die Reform weite Kreise der deutschen Kirche erfaßt 25). In langsam mühevollem Ringen wurde der Boden bereitet für jene tiefgreifenden politischen Umwälzungen, die das alte Gefüge des Reiches in seinen Grundfesten erschütterten. Denn über die disziplinäre Reform hinaus erstrebten die Cluniazenser die Loslösung der Klöster und Abteien aus königlicher oder bischöflicher Unterordnung und die direkte Unterstellung unter den päpstlichen Stuhl als Schützer und Obereigentümer des Klosters. Als wert¬ volle Frucht der Cluniazenser Bestrebungen erlangten die Eigenklöster zunächst die Nutzungsrechte an ihren Besitzungen, die dadurch der freien Willkür der Kloster¬ herrn entzogen wurden. In diesem Sinne konnte Mondsee von Heinrich IV. 1104 ein Diplom erwirken, wodurch es sich das Nutzungsrecht an den von Regensburg entfremdeten Besitzungen, besonders an der reich dotierten Pfarre Straßwalchen sichern wollte. Im Verhältnis zum Hochstift war in dieser Zeit jedenfalls eine merkliche Entspannung eingetreten; die erstarkende Selbständigkeit Mondsees äußerte sich dabei vorzüglich in dem Wiederaufleben der seit 829 unterbrochenen urkundlichen Überlieferung. Das Kloster führt wieder sein eigenes Traditions¬ buch, das bezeichnenderweise als erste Notiz die Schenkung des Wolfgangsee¬ Forstes vom Jahre 829 nachträgt. Damit aber begann zugleich das zähe Ringen mit Regensburg um diesen Besitz, in dessen Nutzgenuß Mondsee erst 1184 gelangte? Besonders günstig für Mondsee erwies sich die Besetzung des Regensburger Bistums mit Chuno I. (1126 — 1132), dem früheren Abt von Siegburg und eifrigen Anhänger der Cluniazenser Reform, der alsbald den Professen des Siegburger Reformklosters Konrad Bosinlother (1127 —1145) als Abt in Mondsee einsetzte. Dieser begann seine Wirksamkeit vorerst mit der Reform der Ordensdisziplin auf der Grundlage der Siegburger Statuten und setzte sodann seine ganze Kraft daran, den gefährdeten Besitzstand des Klosters zu sichern und die seinerzeit entzogenen Güter wieder zurückzugewinnen. Ein zweites Traditions¬ buch, das in dieser Zeit angelegt wurde, sollte dem schriftlichen Beweis der Besitz¬ und Rechtstitel dienen 27). Überaus wertvoll für die weitere Entwicklung wurden die erfolgreichen Bemühungen Konrads um die rechtliche Selbständigkeit gegen¬ über Regensburg. Durch die Bulle Innozenz II. (1142) konnte er Mondsee und seine Besitzungen dem päpstlichen Schutze unterstellen und zugleich das wertvolle Recht der freien Abtwahl sichern. Damit aber hatte das bischöfliche Eigenkloster seine Fesseln gesprengt und den Weg zu einer größeren Selbständigkeit beschritten 28) 25) Hauck, Bd 3 G. 457. 26) J. Zibermayr, Landesarchiv, S. 2. 27) K. Schiffmann, Ein Mondseer Urbarfragment aus dem 12. Jahrhundert, Archiv für österreichische Geschichte Bd 89 (1901) S. 359. 28) J. Zibermayr, St. Wolfganglegende, S. 19. 199
Oberösterreichische Heimatblätter In seinem Ringen um den entzogenen Klosterbesitz geriet Abt Konrad in scharfen Gegensatz zu dem kleinen Landadel, dessen Mordanschlag er 1145 bei Oberwang zum Opfer fiel 29). Sein Werk wurde von seinen Nachfolgern weiter¬ geführt und besonders Heinrich II. (1158 —1191) erwies sich als energischer Wahrer der Rechte Mondsees, sowohl gegen den Passauer Diözesanbischof, der die dem Kloster eigenen Kirchen an sich gezogen hatte, wie auch gegen das Hoch¬ stift Regensburg. Papst Lucius III. aber gewährte neuerdings den päpstlichen Schutz, sowie Bestätigung aller Privilegien (1183) 30) Das Reformwerk des Abtes Konrad, das nach außen hin so günstige Fort¬ schritte erfuhr, zeitigte zudem eine Blüte des literarisch wissenschaftlichen Lebens. Mondsee wurde in dieser Zeit kulturell führend. Die charakteristische Note erhielt dieser Zeitabschnitt durch Liutold, den Begründer und Leiter der Mondseer Schreiber- und Illuminatorenschule. Die Werke dieses für seine Zeit hochgebildeten Mannes weisen wohl auf seine Beziehung zur zeitgenössischen Salzburger Schule, doch vermochte er durchaus eigene Wege zu wandeln; charakteristisch in der Miniaturtechnik durch die Anlehnung an die italienische Initialornamentik, zeigen andererseits die Evangelisten des berühmten Liutold - Evangeliars archaistische Züge mit deutlichem Nachklingen an karolingische Tradition 31). Auch als Schrift¬ steller erwies sich Liutold mit den auf Abt Konrad verfaßten Epitaphien als be¬ deutende Begabung. Die sogenannte „Historia Liutoldi“ mit ihren derben leoninischen Versen aber trägt zu Unrecht seinen Namen 32). Liutold und seiner Schule verdankt die Mondseer Bibliothek ihre wertvollsten Bestände. Ein Blick auf diese Werke vermittelt zugleich interessanten Aufschluß über die geistigen Interessen seiner Mitbrüder. Abgesehen von den liturgischen Büchern, unter ihnen das prachtvoll ausgestattete „Liutold-Evangeliar“, denen sich Augustinus, Ambro¬ sius und Gregor der Große anreihen, fand die zeitgenössische Literatur ihre Ver¬ treter in Petrus Comestor, Hugo von St. Viktor, Honorius Christianus, Rupert von Deutz. Mit Rupert von Deutz, dem Freund des reformeifrigen Kuno von Regensburg 33) erstand im Benediktinerorden eine neue, dem alten Mönchtum fremde Richtung, die als weitere Aufgabe des Ordens die Ausübung der äußeren Seelsorge forderte. Für Mondsee war durch Abt Konrad, der mit Regensburg in 29) Schmid, Ig 3 S. 286. Abt Konrad wurde in der Abteikirche beigesetzt. Sein Grabstein befindet sich heute an einem Pfeiler im Schiff der Stiftskirche. 1679 wurden die Gebeine erhoben und in einem Reliquiar oberhalb des Hochaltares ausgesetzt. E. Sacken, Die Kirche der ehe¬ maligen Benediktinerabtei Mondsee, Mitteilungen der k. k. Central-Commission zur Erforschung und Erhaltung der Kunst- und historischen Denkmale Ig 5 (Wien 1879) S. 53; F. Hausleitner, St. Chunrad, Abt zu Mondsee (Oberwang 1932). 30) Germania Pontificia I. I. S. 207. 31) J. Hermann, Die frühmittelalterlichen Handschriften des Abendlandes (Leipzig 1923), Bd 2 S. 144. 32) J. Zibermayr, St. Wolfganglegende, S. 16 A. 36; H. Holland, Geschichte der alt¬ deutschen Dichtkunst in Bayern, S. 46 f. 33) Hauck, S. 335. 200
Wintermahr: Die Benediktiner-Abtei Mondse enger Fühlung stand, der Anschluß an diese Strömung gegeben; der in diese Zeit fallende Kirchenbau in dem nachmaligen Wallfahrtsort St. Wolfgang kann jeden¬ falls dahin gewertet werden. Die stattliche Zahl der dem Kloster „quoad tem¬ poralia“ inkorporierten Kirchen verlangte die Ordnung der Rechtslage, die durch die Bulle Lucius III. 1183 erfolgte; die Seelsorge sollte durch Weltgeistliche, die dem Passauer Diözesanbischof zu präsentieren seien, versehen werden Die Jahre ruhiger Aufbauarbeit und wirtschaftlicher Kräftigung erfuhren durch die Kriegswirren, die Bayern im 13. Jahrhundert erfüllten, jähe Unter¬ brechung; die Fehde, die der Bayernherzog mit den Bischöfen von Salzburg und Regensburg ausfocht, griff nur zu oft sengend und brennend auf Mondsee und seine Besitzungen über. In diesen Nöten erstand dem Kloster im Böhmenkönig Premysl Ottokar, dessen Kaplan Abt Heinrich IV. war, ein mächtiger Schützer und Gönner. Da Ottokar auch die Herzogtümer Österreich und Steiermark in seiner Hand vereinigte, bedeutete das Privileg der Mautfreiheit (1253) an allen Zollstätten seines Herrschaftsgebietes für Mondsee jedenfalls eine wertvolle Förderung 35). Reichliche Schenkungen brachten zudem bedeutenden Zu¬ wachs an Besitz und Einkünften, zu deren übersichtlicher Zusammenfassung Abt Gundakar 1316 ein Urbar errichten ließ, das 1341 bei dem Brande des Klosters beschädigt, später wieder erneuert wurde, seit der Aufhebung des Klosters aber verschollen ist 36). Die ruhige Linie der Entwicklung geriet durch einen entschiedenen Vorstoß Salzburgs arg in Gefahr, nur die Intervention des Bayernherzogs vermochte noch rechtzeitig abzuhelfen. 1295 verkaufte nämlich Regensburg die Herrschaft Wildenegg mit allen Rechten und Besitzungen an Salzburg, da übernahm der Herzog selbst die Herrschaft, somit auch Vogtei und Gericht über das in diesem Gebiete liegende Mondsee, zugleich mit der Versicherung, daß diese in keine andere Hand übergehen sollten 37) Die guten Beziehungen des Abtes Christian (1321 —49) zum bayrischen Herzogshaus, über die er als Kaplan Herzog Ottos und später als Kaplan Kaiser Ludwigs verfügte, erwiesen sich für Mondsee sehr wertvoll 38). Die Gewährung der Mautfreiheit an allen Zollstätten des Herzogtums (1333), mehr aber noch der kaiserliche Schutz und Schirm (1341) sicherten dem Kloster Jahre ruhiger Ent¬ wicklung. Entsprechend seiner angesehenen Stellung als kirchlich-kultureller, wie auch als wirtschaftlicher Mittelpunkt, konnte Mondsee von Bonifaz IX. den litur¬ gischen Glanz der Pontifikalien für seine Abte erlangen (1400). Die Reformbestrebungen des 15. Jahrhunderts mit ihrem Ringen um Er¬ neuerung der Kirche und besonders des Ordenslebens fanden im Mondseer Abt 3*) J. Zibermayr, St. Wolfganglegende, S. 19. 35) Chron. Lunael. S. 149 f. 36) J. Zibermayr, Landesarchiv, S. 10. 37) Chron. Lunael. S. 163. 38) Chron. Lunael. S. 168 f. 201
Oberösterreichische Heimatblätter Johann II. von Trennbeck einen eifrigen Vertreter. Vor seinem Ein¬ tritt in Mondsee Kaplan des reformeifrigen Habsburgers Albrecht V., blieb er auch späterhin in Verbindung mit den Reformkreisen, wie seine Teilnahme am Konstanzer Konzil bezeugt, von dem er die Bestätigung aller Privilegien und Rechte des Klosters erbat 39). Literarisch-wissenschaftlich von eifrigem Interesse, — er verfaßte u. a. eine Geschichte des Konstanzer Konzils — war er auch ein tüchtiger Wirtschafter; ein Urbarium, sowie eine übersichtliche Zusammenstellung oller Einkünfte des Klosters haben ihn zum Verfasser 40). Unter seinem Nach¬ folger Simon Reuchlin trat Mondsee in den Kreis der Subiazenser¬ Melker Reform, die in ihrem erfolgreichen Vordringen auch die bayrischen Benediktinerklöster erfaßte. Der Ruf nach Reform der Kirche und des Ordens¬ klerus, der immer dringlicher wurde und immer weitere Kreise erfaßte, hatte auf dem Boden der Wiener Universität in Heinrich von Langenstein, Heinrich von Oyta, vor allem aber in dem Rektor Nikolaus von Dinkelsbühl Männer erweckt, die ihren unermüdlichen Eifer dem Reformwerk widmeten. Von Wien aus nahm die Reform ihren Weg nach dem italienischen Subiaco und von dort zurück nach Melk und zu den bayrischen Benediktinerklöstern 41). Die Erneuerung mönchischen Lebens sollte vor allem durch strenge, buchstäbliche Erfüllung ursprünglichen Regel des hl. Benedikt erreicht werden, ohne Rücksicht auf die milderen, sich auf Gewohnheitsrecht oder Privilegien stützenden Gewohnheiten. Das scharfe Urteil der Visitatoren über die Verhältnisse in den nicht reformierten Ordenshäusern vermag demnach, ob seiner subjektiven Färbung, dem tatsächlichen Zustand nicht völlig gerecht zu werden. Auch in Mondsee fanden die 1435 zur Visitation erschienenen Abte des Wiener Schottenstiftes und des Klosters Weihen¬ stephan, sowie der Prior von Lambach das Ordensleben verfallen und der strengen Regel nicht entsprechend 22). Wenige Jahre später aber hatte die Melker Reform sich bereits völlig durchgesetzt und damit nicht bloß für Abt Simon Reuchlin, sondern auch für den guten Geist des dortigen Konventes das beste Zeugnis erbracht. Mondsee blühte auf, gleicherweise ausgezeichnet durch das rege wissen¬ schaftlich-literarische Leben, wie durch den wirtschaftlichen Aufschwung, der vor allem in der großzügigen Bautätigkeit seinen Ausdruck findet. Die Neuordnung der Konvente nach streng mönchisch-aszetischen Grundsätzen, mit dem einschneidenden Verbot jeglichen Privateigentums und der dadurch bedingten Ver¬ einigung des Klostervermögens in der Hand eines wirtschaftstüchtigen Abtes mußte sich notwendigerweise auf die wirtschaftlichen Verhältnisse derartiger Reformklöster günstig auswirken. Nur die Zusammenfassung aller Mittel konnte eine derartig ausgebreitete Bautätigkeit ermöglichen, wie Abt Simon sie entfaltete. Die ver¬ fallenen Klostertrakte, Dormitorium, Refektorium, Wirtschaftsgebäude, sowie der 39) Chron. Lunael. S. 198. 40) V. Staufer, Mondseer Gelehrte, Programm des k. k. Gymnasiums zu Melk 1864 S. 11 f. 41) J. Zibermayr, Die Legation des Kardinals Nikolaus Cusanus und die Ordensreform in der Kirchenprovinz Salzburg (Münster 1914). 22) Chron. Lunael. G. 214—217. 202
Wintermayr: Die Benediktiner-Abtei Mondsee Kreuzgang erstanden neu; die Klosterkirche, wie auch die inkorporierten Kirchen und Kapellen wurden gleichfalls gründlich erneuert 43) Noch bedeutender erweist sich die literarisch-wissenschaftliche Bewegung in den reformierten Klöstern. Auch in Mondsee erhielt das mächtig aufblühende literarische Leben durch einen Wiener Universitätsprofessor, Hieronymus de Werdea, charakteristische Prägung. Bald schloß sich um ihn ein Kreis tüchtiger Gelehrter und fleißiger Schreiber“4), deren eifriges Schaffen den Bibilotheksbestand im Laufe dieses Jahrhunderts fast um das Doppelte anwachsen ließ. Ein Blick auf die damals abgeschriebenen, durch Kauf oder Schenkung erworbenen Handschriften zeigt das vorherrschende Interesse für theologisch-aszetische, wie auch für liturgische Werke, wobei vor allem die Schriften der Wiener Magister reich vertreten sind. Nächst der patristischen Literatur er¬ scheinen besonders zahlreich die Bibelkommentare mit Nikolaus von Lyra in der Führung, dessen gesamte Werke der fleißige Wilhelm Kogler abschrieb. Zeugen des regen Bibelstudiums sind ferner ein Bibelkommentar mit deutschen Erklärungen, wie auch eine „Biblia sacra cum Interpretatione vocabulorum Hebraicorum die der spätere Abt Benedikt Eck der Bibliothek zubrachte 45). An die Werke des Thomas von Aquin und seines berühmten Lehrers reihen sich auffallend stark vertreten Johannes Gerson und die Theologen der Pariser Schule Bonaventura, Wilhelm von Auvergne, die Viktoriner-Chorherrn Hugo und Richard, sowie die mystischen Schriften Bernhards von Clairvaux. Die deutschen Mystiker, Eckehard, Tauler, konnten sich anscheinend nicht durchsetzen. Frühes Interesse bestand hin¬ gegen für das Buch von der Nachfolge Christi, das bereits 1438 von dem Mond¬ seer Heinrich Immerteuer abgeschrieben wurde; eine Tatsache, die später anläßlich der Streitfrage um die Autorschaft gegen Thomas a Kempis ins Treffen geführt wurde 46). Die praktische Theologie, vertreten durch Johann von Auerbach, Johannes a Tambaco, Albert de Brixia tritt zurück hinter die zahlreichen, immer wieder abgeschriebenen Regelerklärungen, in denen sich das eifrige Streben des Reformklosters spiegelt. Neben Johannes de Turrecremata, Bernhard von Monte Cassino, Johannes von Kastl, begegnen uns die Melker Johannes de Spira, Johann Schlittpacher, die Tegernseer Christian Tesenpacher, Bernhard von Waging. Außer diesen durchwegs lateinischen Werken verfügte die Bibliothek damals schon über zahlreiche deutsche Handschriften. Vorboten eines neuen, bereits andämmern¬ den Geistes und Literaturzeitalters. 23) In Mondsee die zur Abteikirche parallel liegende Pfarrkirche St. Stephan, sowie die Ulrichskapelle. Ferner die Kirchen zu St. Wolfgang, Zell am Moos, Oberwang. Schmid, J 3 S. 292. 2) Wilhelm Kogler, Heinrich Immerteuer, Jakob Keser, Sebastian Füsstainer, Wolfgang von Währing, Erhard, Christoph, Ulrich Oblatus, Johannes Hauser, L. Glückert, Hieronymus von Mondsee (Magister Johannes de Werdea), Ein Beitrag zur Geschichte des Einflusses der Wiener Universität im 15. Jahrhundert (München 1930), Sonderdruck aus: Studien und Mitteilungen zur Geschichte des Benediktinerordens und seiner Zweige Bd 48 S. 117, 126. *5) Glückert, S. 130 A. 126. 46) Glückert, S. 127, A. 97. 203
Oberösterreichische Heimatblätter Bewundernswerter Eifer und unglaubliche Fruchtbarkeit kennzeichnen be sonders das Schaffen des bereits erwähnten Hieronymus (Johannes) de Werdea. Die Menge der von ihm verfaßten oder kopierten Handschriften hätte, wie Pez anläßlich seines Besuches in Mondsee staunend, mit verzeihlicher Übertreibung bemerkte, kaum von sechs Pferden weggeschafft werden können. Bei seinem Ein¬ tritt in Mondsee 1451 brachte er seine bedeutende Bibliothek mit, die er sich als Magister der Wiener Unitversität erworben hatte 47). Während seines Noviziates und später schuf er sich unter Zugrundelegung der Werke der Klosterbibliothek eine umfassende Materialsammlung, die zugleich einen wertvollen Überblick des Biblio thekbestandes ermöglicht. Gleich bei seinem Eintritt genoß der ehemalige Universi¬ tätsprofessor eine gehobene Stellung, die durch seine Begabung als Prediger noch gefestigt wurde. Er hielt sich selbst die Einkleidungsansprache, sprach als Novize im Namen des Konventes und verfaßte zahlreiche lateinische sermones, die ob ihrer gelehrten scholastischen Predigtweise jedenfalls für den Klerus und nicht als Volkspredigten bestimmt waren. Nächst seinen aszetisch-mystischen Werken verraten vor allem seine Briefe seine Fähigkeiten und seinen gesunden religiösen Sinn, während er als Dichter religiöser Hymnen und Verfasser von Heiligenleben die üblichen scholastischen Bahnen wandelte 18). Das gewaltige Anwachsen der Bibliothek veranlaßte Abt Benedikt 1470 eine neue „puchkammer, liberey zu bauen, die im dritten Geschoß der Marienkapelle, ober der Sakristei, untergebracht wurde und somit die traditionelle Verbindung Sakristei, Archiv, Bibliothek wahrte 49). Im gleichen Jahre schritt Abt Benedikt an den Neu¬ bau der Abteikirche, mit deren Vollendung (1487) das Reformwerk in Mondsee Abschluß und Krönung erfuhr. An Stelle der alten romanischen Kirche deren Krypta verschüttet wurde, erstand der noch heute ob seiner großzügigen edlen Innenarchitektur bewundernswerte gotische Bau 50). Die gleichzeitig geschaffene Marienkapelle verdankt ihre Errichtung der durch die Neform neu entflammten Marienverehrung, die somit wieder an die alte Cluniazenserreform anknüpft. Weitere Bauten, die Errichtung des Spitals mit der hl. Geistkirche zu Mondsee, den Umbau der Wallfahrtskirche zu St. Wolfgang konnte das Kloster während dieser Bauepoche durchführen 51). Die Gepflogenheit, die Seelsorge in dieser Pfarre ob der hervorragenden Bedeutung des Wallfahrtsortes durch eigene Professen zu besorgen, beließ auch die Cusanische Reform (1451), insoferne das reguláre Leben auch dort gehalten wurde 52). Um nun den Clausurvorschriften, die auch den Chor der Kirche einbezogen, zu entsprechen, konnte für die Seelsorge bloß 27) Glückert, S. 130, 118. 48) G. Dreves, Hieronymus von Mondsee, Zeitschrift für katholische Theologie (Innsbruck 1896) S. 179 f. 40) Chron. Lunael. S. 258. 50) J. Zibermayr, Michael Pachers Vertrag über die Anfertigung des Altars in der Kirche zu St. Wolfgang, Mitteilungen des Institutes für österreichische Geschichtsforschung Bd 33 S. 486. 51) Schmid, S. 293. 52) J. Zibermayr, St. Wolfganglegende, S. 49 f. 204
Wintermayr: Die Benediktiner-Abtei Mondsee das Langhaus der Kirche herangezogen werden, das daher ein südliches Seiten¬ schiff und als Volksaltar den früheren Haupaltar erhielt, der Johannes, dem Täufer geweiht war, Die Legende führte seine Errichtung auf Bischof Wolfgang zurück und zog dadurch auch ihn in den Bereich der Verehrung dieses Heiligen 53), Der liturgische Mittelpunkt des Gotteshauses, der Hochaltar, sollte besonders kunst¬ voll gestaltet werden; mit seiner Schaffung betraute Abt Benedikt (1741) den Brunecker Meister Michael Pacher. Die Beziehungen zu diesem bedeutenden tirol¬ ischen Maler und Bildschnitzer vermittelte wohl Nikolaus Cusanus, der Reform¬ legat und spätere Bischof von Brixen. Pacher schuf dieses hochberühmte Meister¬ werk gotischer Altarkunst zu Bruneck in seiner Werkstätte, von wo es auf dem Wasserwege nach St. Wolfgang befördert wurde. Die Fertigstellung der Wolf¬ gangskirche konnte erst der Nachfolger Benedikts Abt Wolfgang Haberl durchführen, ein besonders eifriger Förderer der Wolfgangsverehrung. Als Ver¬ fasser einer Legende des Heiligen bemühte er sich den herkömmlichen Weg zu ver¬ lassen und durch Heranziehung der alten Annalen ein historisch getreues Bild des großen Regenbsurger Bischofs zu zeichnen. Der Förderung der Wolfgangverehrung sollte auch die von ihm in Mondsee begründete Holzschnittwerkstätte dienen, die sich vor allem mit der Herstellung von Andachtsbildchen für die Wallfahrer befaßte 57) Das geistige Leben Mondsees erhielt in diesen Jahren um die Wende des 15. Jahrhunderts durch den mächtig aufstrebenden Humanismus seine entscheidende Umprägung. Die Neform selbst, eng verbunden mit der Wiener Universität, als mächtige Förderin der literarischen Tätigkeit und des Studiums der alten Klas¬ siker, wurde so zur Wegbereiterin der neuen Geistesströmung 55). Noch war aller¬ dings die Tradition mittelalterlich-scholastischen Denkens und Fühlens zu fest ver¬ wurzelt und nur allmählich und vorerst bloß in seiner äußeren Form und Aus¬ drucksweise konnte der Geist der wiedererweckten Antike vordringen. Als charak¬ teristischer Vertreter dieser Übergangskultur erscheint der emsig schaffende Leon¬ hard Schilling, dessen literarische Tätigkeit und ausgebreiteten Beziehungen zu den bedeutendsten Persönlichkeiten des damaligen Geisteslebens seinen Ruf weit über die Klostergrenzen verbreitete. Obwohl seine Werke, die er selbst abschrieb und illuminierte, durchaus nicht den allgemeinen Durchschnitt überragten, ver¬ raten doch seine kunstvoll stilisierten Briefe seine humanistische Bildung und Schu¬ lung 56). Wertvolle Förderung und Anregung seiner Studien boten ihm die reichen Schätze der Mondseer Bibliothek, deren Bestände Kunde geben von dem Interesse, mit dem die geistige Strömung des Humanismus im Kloster gefördert wurde. In treuer Fortführung der alten Klostertradition, für die Ausgestaltung des „Arma¬ rium“ nicht Mühen noch Opfer zu scheuen, wurden für die Bibliothek die kost¬ so die prachtvollen kanonistischen Werke der barsten illuminierten Handschriften, 53) J. Zibermayr, Noricum, G. 345. 5*) J. Zibermayr, St. Wolfganglegende, S. 60. 55) V. Redlich, Tegernsee und die deutsche Geistesgeschichte im 15. Jahrhundert, Schriften¬ reihe zur bayrischen Landesgeschichte (München 1931) S. 9. 56) A. Horawitz, Humanismus in den Alpenländern (Wien 1887), S. 770. 205
Oberösterreichische Heimatblätter Bologneser Schule —, und die Werke der jeweils führenden Autoren und Zeit¬ strömungen erworben. So finden sich neben einem Geiler von Kaysersberg, Seba¬ stian Brant die Werke eines Ulrich Zasius, Jakob Faber (von Etaples), Erasmus von Rotterdam, Lorenzo Valla, Johannes Argyropulus, Johannes Nauclerus, Ludovicus Caelius, Nicolaus Perottus, Johannes Tortellius, Poggio Bracciolini, Johannes Franciscus Mirandula, Petrarca, Pietro Aretino 57). Das Geistesleben Mondsees erfuhr zudem mit dem beginnenden 16. Jahr hundert eine bedeutungsvolle Wendung durch die politische Entwicklung, die das Klostergebiet mit dem Wolfgangsland, sowie die Herrschaft Wildenegg samt Vogtei, als Preis für die Teilnahme Maximilian I. am Landshuter Erb¬ folgekrieg an Österreich gelangen ließ (1506). Am Hofe des hochgebildeten Maximilian aber hatte der Humanismus eine blühende Pflegestätte gefunden und neu belebender Antrieb erfaßte Kunst und wissenschaftliches Leben. Geschichtsfor¬ schung und Wissenschaft, geleitet von dem regen Interesse für die Geschehnisse der Vergangenheit fanden den Weg zu den Klosterarchiven, somit zu jenen ältesten Quellen, die in der klösterlichen Annalistik sich ihnen erschlossen. Die Berührung mit den bedeutenden Vertretern des Humanismus wirkte wieder andererseits auf die klösterliche Geschichtsschreibung. In Mondsee, dessen Archiv sich dem Forschungs¬ eifer Johann Cuspinians erschloß, erfuhr bezeichnenderweise in dieser Zeit erst¬ malig die Wolfgangslegende eine Bearbeitung nach der historischen, in den An¬ nalen festgehaltenen Überlieferung 58). Das rege historische Interesse, das Abt Wolfgang bei dieser Arbeit, wie auch bei seinen hausgeschichtlichen Studien leitete, erweist seine Aufgeschlossenheit für den Humanismus und begründete wohl das besondere Wohlwollen, dessen er sich bei Maximilian I. erfreute 59). Anläßlich seines Aufenthaltes in St. Wolfgang am 15. und 16. Dezember 1511 dürfte in Maximilian der Plan aufgetaucht sein, an dieser Stätte eine Kirche für sein¬ Grabmalanlage zu schaffen. Abt Wolfgang, der diesen Plan des Kaisers erst im Jahre 1519 durch den Salzburger Erzbischof Leonhard von Keutschach erführ, war höchst bestürzt darüber, da er gleich diesem der Meinung war, daß dem Kloster Mondsee dadurch nur Nachteile und Kosten erwachsen würden. Der Intervention des Erzbischofs, durch die er sich die Dankbarkeit des Abtes und Klosters sicherte, mag es auch zuzuschreiben sein, daß der Kaiser diesen Plan wieder fallen ließ “o) Der Besuch des Kaisers in Mondsee, dem kulturellen Mittelpunkt des neuerworbe¬ nen Landesteiles, bekundet das Interesse an diesem, für Österreich besonders wirtschaftspolitisch wichtigen Gebiet. Die Nachbarschaft des Salzkammergutes ließ die Sicherung der ausgedehnten Forste des Mondseer- und Wolfgangslandes für die kaiserlichen Salinen jedenfalls sehr wichtig erscheinen. Mit dieser Wertung des 57) Glückert, S. 133. 58) J. Zibermayr, Landesarchiv, S. 29. 50) Chron. Lunael. S. 394, 396. 60) A. Lhotsky, Kaiser Maximilian I. Grab, Unsere Heimat N. F. XVIII. (1947) H. 1—3 S. 28. 206
Wintermayr: Die Benediktiner-Abtei Mondsee Gebietes steht dessen vorübergehende Verpachtung an Salzburg von 1506 — 1565 durchaus nicht in Widerspruch. Die Befruchtung mit den Gedanken des Humanismus ließ Mondsee eine Blüte erleben, die das altehrwürdige Seekloster als hervorragenden Kulturmittelpunkt im obderennsischen Lande erscheinen läßt Mit der Errichtung eines humanistischen Gymnasiums (1514), der ersten derartigen Bildungsanstalt in Oberösterreich, sicherte Abt Wolfgang dem Kloster eine führende Stellung im Geistesleben. Ihren getreuen Spiegel finden diese Bestrebungen in den Vibliotheksbeständen mit den zahlreich vertretenen Klas¬ sikern. Auf Jahrhunderte alter Tradition aufbauend, — der nachweisbare Bestand der Klosterschule reicht bis ins 12. Jahrhundert“1) —, galt das vorwiegende Inter esse vorzüglich den Fächern des Trivium, Grammatik, Dialektik, Rhetorik. So berie Abt Sigismund Hohenkircher 1550 den Wiener Magister der freien Künste Wolf¬ gang Pledel, daß er die Kleriker in Grammatik und Dialektik unterrichtes2). Neben diesen literarischen Zeugen im Bibliotheks- und Schriftwesen, offenbarte sich der Geist des Humanismus auf dem Gebiete der Kunst in dem anmutigen Wallfahrer¬ brunnen zu St. Wolfgang der berühmten Erzgießer Lienhard Räunacher und Peter Mülich, dem ersten Werke der Frührenaissance auf österreichischen Boden 63 Die Blüte, die Mondsee unter Abt Wolfgang Haberl erlebte, endete mit dessen Tod und bald hatte das mächtig vordringende Luthertum auch in dieses Kloster Eingang gefunden. Der Humanismus mit seiner Überschätzung des antiken Bildungsideals wurde zum Wegbereiter der neuen Lehre; der Widerspruch zwischen dem heiter-fröhlichen Diesseitsideal der heidnischen Klassiker und den strengen Forderungen jenseits gerichteter Ordensobservanz mußte schließlich zum Bruch führen. Der tüchtigen Leitung des Abtes Johann III. Hagen (1521 —1536) gelang es allerdings noch, die Bewegung einzudämmen, von der bloß einige jüngere Konventualen, wie auch der Bruder Leonhard Schillings erfaßt wurden. Anführer und Vertreter der lutherischen Grundsätze war der Hofrichter und Sekretär des Klosters Dr. Ortolf Fuchsperger, der in seinen Vorlesungen über Dialektik, die er den jüngeren Konventualen im Auftrage des Abtes hielt, der neuen Lehre den Boden bereitete. Mit der Drucklegung seines Lehrbuches „Gründ¬ licher Anfang der waaren Dialectica“, des ersten deutschsprachigen Logiklehrbuches, sicherte er sich den Ruhm eines wagemutigen, gewandten Übersetzers 64).Der geistig-religiöse Umbruch, der zutiefst die Gemüter aufwühlte und erschütterte, wurde zum Vorläufer der gewaltigen wirtschaftlichen Umschichtung Europas, die sich in den allenthalben in Süd- und Mitteldeutschland auflodernden Bauern¬ erhebungen ankündigte. Mondsee, dessen Untertanen sich dem Aufstand nicht an¬ geschlossen hatten, blieb vor dem Argsten bewahrt, da die salzburgischen Bauern, 6’) Monumenta Germania, Necr. 4, S. 417. 62) Glückert, S. 118 A. 33. 63) J. Zibermayr, St. Wolfganglegende, S. 64, 65. 6*) Horawitz, S. 795. 207
Oberösterreichische Heimatblätter die in die Klostermark eingedrungen waren, sich von der Plünderung und Brand¬ schatzung des Klosters durch Zahlung einer beträchtlichen Geldsumme abhalten ließen. Weit unheilvoller als durch die wirtschaftlichen Auswirkungen der Refor¬ mation, wurde Mondsee durch deren geistige Folgeerscheinungen betroffen. Der zu¬ nehmende Haß und die Entfremdung des Volkes gegenüber Priester- und Ordens¬ beruf wirkte sich besonders im Mangel an geeignetem Nachwuchs aus und bald sank die Zahl der Konventualen auf einen Mindeststand. Die Visitation im Jahre 1566 fand im Kloster außer dem Prälaten nur mehr zwei Patres und einen Novizen 65). Der sonstige Befund war nicht ungünstig; täglich wurde noch ein Amt zelebriert, das Gesinde lebte in Zucht und Ordnung und auch der Schulunterricht wurde noch aufrecht erhalten. Beanständet wurde jedoch der Überfluß an Dienst¬ personal, der übermäßige Verbrauch an Speise und Trank, sowie das Fehlen eines ordentlichen Urbars. Der rasche Verfall der noch wenige Jahrzehnte zuvor blühenden Abtei war vor allem durch die Verpachtung dieses Gebietes an Salzburg gefördert worden, da bis zu dessen Rückgabe an Österreich (1565) der kaiserlichen Klosterratskommission die Möglichkeit, einzugreifen, benommen war. Mondsee in der Gegenreformation Den Tiefpunkt des Verfalls von Kirche und Ordensleben schildert die Kloster visitation des Jahres 1566; von da an begann das von Kirche und Staat gemeinsam geführte Reformwerk zur Rettung des gefährdeten katholischen Glaubens. Besonders schwierig lagen die Verhältnisse im Lande ob der Enns, wo die kirchliche Organisation weder über einen Bischofsitz, noch über einen eigenen Landesbischof verfügte. Hier lastete die Durchführung des Erneuerungswerkes hauptsächlich auf den alten Landklöstern, von deren Wiederaufrichtung somit im wesentlichen das Schicksal der katholischen Kirche und Lehre abhing. Diese Klöster vermochten, politisch wie wirtschaftlich, in ihrer Gesamtheit als Prälatenstand im Rahmen der landständischen Verfassung, wie jedes für sich als Grundherrschaft gegenüber seinen Holden und Untertanen, den Katholizismus gegen das andrin¬ gende Luthertum wirksam und nachdrücklich zu verteidigen. Die Besetzung der Prälaturen mit geeigneten, verläßlichen Männern, eine den katholischen Landes¬ herrn nicht minder wie die Kirche berührende Frage, fand durch die vom Klosterrat bevorzugte Einsetzung von Prälaten aus fremden Klöstern eine zeitbedingte Lösung. Auch Mondsee erhielt in dieser Zeit vielfach solche Abte und Administratoren; Professen aus Formbach, Lambach, Niederaltaich bemühten sich um das verfallende Kloster. Eine glücklichere Zeit begann erst mit der Regierung des tüchtigen, aus Niederaltaich berufenen Georg Hieronymus Gulden (1584 — 1592) 66). 65) Fünf Patres waren abgefallen und hatten das Kloster verlassen, zwei kehrten wieder zu¬ rück. K. Eder, Das Land ob der Enns vor der Glaubensspaltung (Linz 1933), S. 209. 66) Schmid, Ig 4 S. 100. 208
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