Bausteine zur Heimatkunde Es ist erstaunlich, wie rasch diese botanischen Wanderburschen reisen. So hat sich ein kleiner Verwandter der Goldrute, das Frühlingsgreiskrau (Senecio vernalis), von Rußland her im Laufe eines Jahrhunderts ohne jedes bewußte Zutun des Menschen derart verbreitet, daß in vielen Bezirken Ma߬ nahmen zu seiner Bekämpfung ergriffen werden mußten. Von Südeuropa her wanderte eine große Anzahl Ackerunkräuter in unsere Felder ein, z. B. der feuerrote Ackermohn, die violette Kornrade, der goldgelbe Ackerhederich und mehrere Kamillenarten — um nur die auffälligsten zu nennen. Diese verschönern zwar den prächtigen Anblick eines reifen Feldes, sind aber dem streng rechnenden Landwirt höchst unerwünscht. Er trachtet daher, durch Reinigungs¬ Auch auf Wiesen verfahren sein Saatgut vollkommen unkrautfrei zu erhalten. bevorzugt er nur eine beschränkte Artenzahl von Süßgräsern und trachtet durch Auslese und besondere Düngung die Wiesenflora möglichst auf diese zu be¬ schränken. Es tritt also auch hier eine gewisse Verarmung ein, die man aber in Anbetracht der schwierigen Ernährungslage weder verhindern kann, noch darf. Umso mehr wird es Aufgabe aller wirklichen Naturfreunde sein, dort, wo es noch reichblühende natürliche Wiesen gibt, sich bei der Mitnahme von Wildpflanzen die größte Zurückhaltung aufzuerlegen; ist doch unsere Heimatnatur ein Gut, das für alle erhalten und behütet werden muß. Dr. Heinrich Seidl (Steyr) Bittprozession in Lindemayrs Heimat „Bittet und ihr werdet empfangen“, verliest der Priester im Evangelium des Bittsonntags und nach der Predigt lädt er die gesamte Gemeinde ein, sich recht zahlreich an den nun kommenden drei Bittagen zu beteiligen. Schon vor dem ersten Weltkriege wurden diese Bittgänge, die sich früher meist in benach¬ barte Pfarrgemeinden erstreckten*), auf Umgänge innerhalb der eigenen Gemeinde¬ grenzen eingeschränkt. Wir wollen hier einen Flurumgang schildern, wie er sich etwa zu Anfang dieses Jahrhunderts in der Heimat P. Maurus Lindemayrs, des Ahnherrn der oberösterreichischen Mundartdichtung, im freundlichen Hausruck¬ dörflein Neukirchen bei Lambach abspielte. Ein wunderschöner Maienmorgen ist angebrochen. Schon vor sechs Uhr sind die Teilnehmer am Umgange aus den umliegenden Dörfern zur Pfarrkirche ge¬ kommen. Die Männer schmauchen noch vor der Kirche ein wenig an ihrer Pfeife, die Frauen und Mädchen gehen gleich in die Kirche hinein, wo sich kurz vor dem Zusammenläuten auch die „Mannsbülder“ eingefunden haben. Die Burschen und Stallbuben stehen heraußen im Friedhof beisammen. Besonders lebhaft geht es bei der Schuljugend zu. Der Lehrer ordnet seine Scharen und schlichtet mit ent¬ schlossenem Schiedsspruch den edlen Wettstreit um das „Fahnltragen“. Der Eis¬ *) Vgl. Heimatgaue Ig 3 (1922) S. 232, und Beiträge zur Landes- und Volkskunde des Mühlviertels Bd 7 S. 37. 183
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