Goldinger: Dr. Ignaz Zübermayr dankbar sein, doch Forscher im Sinne Zibermayrs sind sie nicht. Dieser Typus, der keinesfalls nur auf Archivare beschränkt bleibt, fühlt sich in der gesicherten Ecke solchen Schaffens am wohlsten. Anders Zibermayr. Ihm bedeutet Forschen stets auch Kämpfen. Wie er sich oft und oft vor sein Archiv gestellt und für dieses manchen heftigen Strauß ausgefochten hatte, so wagte er sich auch mit seinen kritischen Arbeiten an Fragen, die im Zwielicht geschichtlicher Erkenntnis nicht immer einfach mit Ja oder Nein zu beantworten sind. Sich an sie heranzuwagen, bedarf es nicht nur fachlicher Erfahrung und eindringenden Wissens wie kritischen Scharfsinnes, hiezu bedarf es vor allem auch eines nicht geringen Mutes. An dem hat es Zibermayr nie gefehlt. Wenn er heute die sieben Jahrzehnte seines Lebens überblickt, dann mag ihm der Weg, den er zurückgelegt hat, wie ein Weg hart an Abgründen erscheinen. Nichts, was er erreichte, fiel ihm als ein Geschenk in den Schoß. Nicht einmal das rein physische Leben konnte er gleich anderen mehr oder weniger gedankenlos als etwas Selbstverständliches vor sich hinleben. Das Leiden, von dem ihn die Kunst des Arztes durch einen glückhaften Eingriff befreit hat, nennt er so ruhig beim Namen, daß man im ersten Augenblick erschrickt und sich dann erst faßt und ihn anblickt und zur Überzeugung kommt, daß man einem Auserwählten in die lebhaften dunklen Augen schaut. Wieviele gibt es, die von sich sagen können, daß sie vor dreißig Jahren an Krebs erkrankt waren und die es nun an Beweglichkeit des Körpers wie des Geistes mit vielen Jüngeren aufzunehmen imstande sind? Während ihm die geliebte Frau vor der Zeit wegstarb, blieb er, der „Tod¬ geweihte", zurück und kämpfte sich zu einem Dasein des Schaffens und Forschens weiter. Es war ein offenbar gottgewolltes Schicksal, das ihn durch die zwei Welt¬ kriege hindurchführte und ihm den Sieg des reinen Wollens gewährte. Verklärt durch die Güte eines edlen Herzens, fand sein Handeln mitten durch die Wirren einer aus den Fugen geratenen Welt die Spur, die ihn sein Gewissen wies. Mochten die Wellen von allen Seiten so hoch wie nur möglich gehen, ihn er¬ reichten sie nicht. So darf das Land Oberösterreich in Dankbarkeit des Mannes gedenken, der durch mehr als vier Jahrzehnte wie ein Zionswächter von seiner Heimat getreulich abgewehrt hatte, was der Größe ihrer Vergangenheit hätte Eintrag tun können, der aber zugleich durch hervorragende wissenschaftliche Leistungen den Ruhm dieser seiner Heimat hinaus in die Welt getragen hat. Wilhelm Bauer (Linz) Ignaz Zibermayr und das österreichische Archivwesen Nur wenige Jahre trennen uns noch von dem Zeitpunkt, da das Institut für österreichische Geschichtsforschung an der Universität Wien sein hundertjähriges Bestehen wird feiern können. Es war ihm nicht beschieden, das zu werden, was seinen Gründern, Männern wie Graf Leo Thun und Alexander Josef Helfert, vorgeschwebt hatte: ein Mittelpunkt für die Entfaltung einer österreichischen Ge¬ schichtsschreibung großen Stils. Das hat mehrfache Gründe, äußere und innere. 133
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