Oberösterreichische Heimatblätter keineswegs mit beiden Händen zugriff, sondern es als eine Störung seines Lebensplanes betrachtete, jetzt gleich Beamter zu werden und in der Hingabe an die freie Forschung Hemmungen zu erfahren. Er mußte erst zu seinem schlie߬ lichen Entschluß gedrängt werden. Das ist in Betracht zu ziehen, will man Zibermayrs Wesen ganz verstehen. Freilich dürfen wir nicht die gegenwärtigen Verhältnisse unserem Urteil zu Grunde legen. Wer jetzt durch die hellen, luftigen, wunderbar rein gehaltenen Näume des Oberösterreichischen Landesarchivs schreitet, an den vielen Faszikelreihen vorbei, die nicht einmal das Ganze des Bestandes ausmachen, wer die reichen Bücherschätze ins Auge faßt, der hat nicht das Archiv von 1903 vor sich. Nein. Zibermayr würde sich keiner Überheblichkeit schuldig machen, sagte er zu dem, den er heute an diesen Stellagen vorübergeleitet: „Das alles habe zum guten Teil ich geschaffen.“ Aber so zu sprechen fällt ihm gar nicht ein, ihm ist immer das Werk die Hauptsache, vielleicht nicht einmal das Werk, sondern das Wirken, das Weiterführen. Ein anderer hätte sich mit dem Ernennungsdekret in der Tasche zur Ruhe gesetzt, wäre Liebhabereien nachgelaufen. Für Zibermayr war es der Ansporn zu immer neuem Tun, zu planvollem und bedachtem Tun. Betrieb um des Betriebes willen kannte er nicht. Bevor er sich allerdings erst ganz dem ihm anvertrauten Amte widmete, hielt er mit der ihm eigenen Festigkeit an dem von ihm angestrebten Plane fest und ging nach Rom, von wo er manches wertvolle Material für spätere Veröffentlichungen heimbrachte. Dann erst warf er sich mit aller Kraft auf den Ausbau des Instituts, das er leiten sollte, galt es doch, den Vorschuß an Vertrauen, das man ihm geschenkt hatte, zu rechtfertigen. Immer waren ihm dabei die Aufgaben gegenwärtig, die das Archiv zu erfüllen hatte. Es sollte nicht allein die in ihm aufgestapelten Geschichtsquellen kunstgerecht auf¬ bewahren und vor Schaden schützen, es sollte auch die in anderen Amtern oder in Privatbesitz befindlichen Akten und Urkunden, besonders soweit sie für die Geschichte Oberösterreichs in Betracht kommen und dem Verderb oder Verlust ausgesetzt sind, in irgend einer Weise dem Landesarchiv einverleibt werden. Mit zäher Konsequenz bewegte sich Zibermayrs Tätigkeit auf dieser Linie. Darüber vergaß er jedoch keinen Augenblick das, was ihm selbst stets vor allem am Herzen lag: die Forschung. Das Archiv sollte für die Geschichtsquellen keine Totenhalle sein, wo sie mumifiziert den ewigen Schlaf schlafen. Die Auf¬ bewahrung nicht um ihrer selbst willen, sondern um sie der Wissenschaft zugänglich zu machen, erkannte er als lebenswichtig für das Archiv. Nur dadurch verdient es sich den Namen einer wissenschaftlichen Anstalt und damit auch seine Be¬ sonderheit anderen Verwaltungsstellen gegenüber. Diese Erkenntnis entsprach in gleichem Maße, wie schon angedeutet wurde, seinem persönlichsten Denken und Fühlen. Immer stand ihm das Forschen obenan, das wirkliche Forschen. Es gibt Archivbeamte, verdiente Archivbeamte, die unendlich viel publizieren. Sie machen von der Möglichkeit, die ihnen gegeben ist, reichlich Gebrauch und drucken Faszikel um Faszikel ab. Die gelehrte Welt kann ihnen hierfür nur 132
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