OÖ. Heimatblätter 1948, 2. Jahrgang, Heft 2

Oberösterreichische Heimatblätter Während dieser Vorläufer noch die Neugier der von allen Seiten herbei¬ strömenden und die Straße säumenden Zuschauer erregte, kam der eigentliche Zug schon in Sicht. Ein „Vorreiter“ in Alt-Innviertler Tracht (Runder Hut, Schaikl, Halsbinde, Samtweste, Ranzen, lange Lederhose, Stiefel) eröffnete ihn. Ihm folgte eine „Damenkapelle“. Die Zechenmusik hatte sich dazu in Frauen¬ kleider gesteckt und gab so in bunter Mischung einen komischen Längsschnitt durch die Weibermode der letzten 50 Jahre vom Schleppkleid bis zum Kurzröckchen. Nur der „Kapellmeister“ war als männlicher Stutzer angetan, ging auf Stelzen, über¬ ragte seine Musikantinnen daher um Tischeshöhe und gab ihnen mit einem riesigen Taktstock unter komischen Verdrehungen die verkehrtesten Zeichen. Nun rollte der „Brautwagen“ an. Das war eine — allerdings sauber ge¬ waschene — festlich bekränzte „Adeltrucha“, wie sie allgemein zum Ausführen des flüssigen Düngers in der Gegend verwendet wird. Ein ebenfalls geschmückter Ochse zog das seltsame Gefährt, auf dem das Brautpaar thronte. Die „Braut“ wurde von einem entsprechend verkleideten Zechburschen dargestellt. Dann wurde der prächtig geschmückte „Firstbaum“ auf einem Blochwagen von festlich geschirrten Pferden vorübergezogen. Neben und hinter ihm trieb ein ausgelassenes „Fußvolk“ seine tollen Streiche. Meist waren Männer als Frauen, Frauen als Männer verkleidet. Besonders beliebt waren Zigeuner, Bettler, Lumpen, Vagabunden in zerrissenen Hosen, zerfetzten Röcken, löchrigen Hüten, ge¬ schwärzten Gesichtern. Die unglaubliche Mannigfaltigkeit von Gestalten, die Leben¬ digkeit ihrer Darstellung stellte die uralte Spielfreudigkeit der Bevölkerung ins beste Licht. Besonders fiel eine riesige Mutter mit gewaltiger Milchflasche auf, die einen ewig wimmernden Riesensäugling im Kinderwagen mitfuhr. Das „Fußvolk“ trug Ofenruß und Wagenschmiere in eigenen Gefäßen mit sich, schwärmte aus und rußte und schmierte die Zuschauer zur allgemeinen Heiterkeit tüchtig an. Schließlich führte ein Gendarm mit gewaltigem Schnauzbart zwei mit Stricken gefesselte Landstreicher daher. Die hatten angeblich den Firstbaum gestohlen. Vor verschiedenen bekannten Gasthäusern hielt der Zug. Der Wirt spendete dort den Teilnehmern ausgiebige Stärkung. Dazu spielte die Musik zum Tanze auf. An der Baustelle wurde der Firstbaum dem Besitzer feierlich rückerstattet. Dann war mit vereinten Kräften der Dachstuhl bald völlig fertig aufgestellt. Schließlich gibt der Besitzer gewöhnlich allen Helfern bei dieser Arbeit ein Mahl im Bauernhaus. Aufgetischt werden dabei „Schnitten“ (in Teig eingehüllte und aus dem Schmalz herausgebackene Weißbrotschnitten), „Kübelfleisch“ (ge¬ sottenes Surfleisch) mit Beilagen und „Küachel“ (auch „Braune Knödel“ oder „Bauernkrapfen“ genannt). Dazu wird ein Faß Bier aufgelegt und Most und Schnaps getrunken. Manchmal schließt dieses Festmahl noch mit einem Tanz ab. Dr. Hans Commenda (Linz) 190

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