Bausteine zur Heimatkunde Höhe. Gedankenvoll blickt der Herr Lehrer dem im blauen Ather verschwindenden Vöglein nach. Da sagt plötzlich der Füsl Heinrich, ein munterer Knabe, neben ihm: „Bitt, Herr Lehrer, der Betwurm is abgrissen!“ „Richtig, richtig", erwidert der Herr Lehrer, „die Kinder sind ein bißchen zu schnell gegangen, wir müssen halt ein wenig warten, bis der Betwurm wieder ganz ist!“ „Jetzt sind wir in der Hudlau!“ meint ein vorwitziger Schlingel und die anderen lachen. Der Herr Lehrer verweist streng solch unziemliches Benehmen, aber auch er weiß nur zu gut, daß der Wirt zu Schmalwiesen ein so süffiges Bier schenkt, daß dort die Gäste oft weit länger hinter dem Kruge hudeln und hocken bleiben, als zum bloßen Durstlöschen nötig wäre. Bei den mächtigen Freimaier Eichen grüßt nun schon das helle Geläute der Bachmanninger Kirchenglocken. Die Buben finden selbstverständlich, daß die Neukirchner Glocken ganz anders und viel schöner klingen als die Bachmanninger Glöckerl. Aber nun soll es sich erweisen, daß es nicht umsonst in der Antiphon des Feldfrüchtengebetes heißt:, „Et clamor meus ad te veniat!“, „Und lasse meir Rufen zu Dir kommen!“ Denn aus Leibeskräften rufen die Buben, die Glocken übertönend: „Heilig, heilig, heilig ist der Herr Gott Sabaoth, Himmel und Erde sind seiner Heiligkeit voll! Beim Anmarsch zur Kirche wurde manchmal die Allerheiligen-Litanei ge¬ sungen und mit kleiner Blechharmonie begleitet. So war es der Brauch in Esternberg bei Passau, wenn die Viechtensteiner an einem Bittag einzogen. An der Spitze der Musiker und Sänger marschierte da der alte Meßner Toni. Das beinerne Mundstück des Flügelhorns in den rechten Mundwinkel gedrückt, das linke Auge fest zugekniffen, schwang er zum Marsche das Instrument wie der Kapellmeister den Taktstock sicher und unermüdlich. Bei solchem Einzug durfte nicht übersehen werden, den Kirchenpatron der besuchten Gemeinde eigens gesang lich anzurufen. Unter Gesang, Geläute und dreimal „Heilig“ ist mittlerweile die Kreuzschar in die Kirche eingezogen. Einige Einheimische sitzen in den Stühlen. Sie hoffen, unter den Ankömmlingen Bekannte oder Verwandte zu treffen. Der Herr Pfarrer wird mittlerweile in der Sakristei vom Mesner mit den violetten Meßgewändern besonders sorgsam angekleidet, steht doch ein gutes Trinkgeld bei solchen Anlässen in Aussicht. Die Ministranten warten schon an der Sakristeitür. Unter den Klängen der Königin aller Instrumente schreitet nun der Priester zum Altare und die Segenmesse beginnt mit dem alten Segenlied: „Wir beten 1!“ Während der Messe aber singt die Kreuzschar vor der Wandlung zur Orgel das alte Kirchenlied „Strenger Richter aller Sünden .. .“ in althergebrachter, schlichter, volkstümlicher Art und Weise mit besonderen, den Bittgang angepaßten Gesätzen, wie sie bei den Umgängen und sogenannten Schauerämtern gebräuch lich sind. (Siehe Notenbeilage.) Nach der Wandlung wird das alte Marien- und Maiandachtlied „Glorwürdige Königin" angestimmt. 185
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