OÖ. Heimatblätter 1948, 2. Jahrgang, Heft 1

Oberösterreichische Heimatblätter Im Sinne des bisher Gesagten braucht wohl nicht noch besonders betont zu werden, daß sich das bodenständige, landschaftsgebundene Bauschaffen nur einheimischer, nicht orts¬ fremder Baustoffe bedienen soll. Wo kein Lehm, wohl aber Naturstein in Hülle und Fülle vorhanden ist, wird das Steinmauerwerk, nicht aber der Ziegelbau am Platze sein. Ähnlich verhält es sich mit den anderen Baustoffen, vor allem mit dem Holz und dem Beton. Nicht zuletzt gilt dies aber auch hinsichtlich der in Vielfalt entwickelten Dachdeckungsstoffe. In all diesen Belangen, ob sie nun die Baugestaltung als ganzes, die Bauformen von Einzelteilen, die zur Verwendung gelangenden Baustoffe oder die Art ihrer Verarbeitung betreffen, empfiehlt es sich, die jeweils herrschende, bodenständige Bauweise, soweit sie künstlerisch wertvoll ist, als verläßlichsten Wegweiser zu benützen. Sie hat sich klimabedingt bewährt, ist landschaftsgebunden und bewahrt vor Mißgriffen baugestalterischer Art. In letzterer Hinsicht droht in der Zukunft eine große Gefahr durch die mit der För¬ derung unseres Wiederaufbaues und seines Tempos zusammenhängenden Bestrebungen auf Normierung und Typisierung der Bauteile oder auch ganzer Bau¬ objekte, auf Mechanisierung ihrer Erzeugung und auf die Verwendung zahlreicher Ersatz¬ baustoffe. Die Spitzenleistung in dieser Hinsicht bildet die „Prefabrikation", das ist die werkstättenmäßige, industriell-maschinelle Erzeugung und Herstellung von Bauelementen und ganzen Gebäudeteilen, die dann, an den Verwendungsort gebracht, dort in kürzester Zeit zu vollständigen, meist auch schon mit der gleichfalls normierten Inneneinrichtung ausgestatteten Bauwerken zusammengesetzt werden. Fortschritten solcher Art wird man sich, soferne sie sich bewähren, selbstverständlich nicht widersetzen können; im Gegenteil, sie verdienen zu Gunsten einer beschleunigten Wohnraum¬ beschaffung und deren Verbilligung tunlichste Förderung. Es soll aber auch hiebei unser Heimat¬ gefühl insoweit zu Worte kommen, daß die jeweilige bodenständige Baugestaltung die schon im Interesse unseres Fremdenverkehrs gelegene Berücksichtigung findet. Wurde in der Ver¬ gangenheit schwer gesündigt, wenn, um ein Beispiel zu nennen, ein öffentliches Verkehrsunter¬ nehmen Wellblechgaragen in unsere herrlichen Gebirgstäler stellte, oder wenn im Kriege errichtete, typisierte Holzbaracken zu Dauereinrichtungen gemacht werden, so sollen derartige Fehler in Hinkunft auf dem Gebiete unseres Wohnungsbaues soweit als irgend möglich vermieden werden. Nicht nur ästhetische, sondern auch soziale Erfordernisse sprechen hiefür, umsomehr, als deren Zusammenwirken bei uns Österreichern vielleicht mehr als anderswo eine grundlegende Voraus¬ setzung unseres Wohlbefindens und mit ihm unserer Leistungsfähigkeit bilden. Unseren Bau¬ schaffenden wird sich bei all diesen Zukunftsaufgaben mehr denn je Gelegenheit bieten, im großen und im kleinen schöpferisch gestaltend zu wirken und hiebei trotz allem technischen Fortschritte unserer Eigenart und dem traditionsgebundenen Baugesichte unserer Heimat gebührend Rechnung zu tragen. Gewiß, dieses Baugesicht ist nicht etwas Starres, seit Jahrhunderten unverändert Ge¬ bliebenes; es hat, wie jedes Erzeugnis des menschlichen Schaffens, im Laufe der Zeiten seine Entwicklung durchgemacht. Es soll auch nicht zwangsweise im musealen Sinne in diesem Zustande weiter erhalten werden. Es darf aber anderseits auch nicht, wie es so manche moderne, rein verstandesmäßige Lehrmeinung nichtösterreichischen Ursprungs der jüngeren Vergangenheit ausgesprochen hat, als etwas Überlebtes, im technischen Zeitalter nicht mehr Daseinsberechtigtes, ja, als etwas Verwesendes achtlos beiseite geschoben und dem Fortschritte ohne weiteres zum Opfer gebracht werden. Es ist im Gegenteile befähigt und berufen, eine gesunde, tragfähige Grundlage für die weitere Entwicklung unseres Bauschaffens zu bilden, die, aus sich heraus in stetem Flusse, das ihr zur geistigen Gesundung unserer Zeit beitragen und mit ihr Schritt halten soll. Das hehre Vorbild sei hiebei stets unsere große Lehrmeisterin Natur und ihr sicht¬ barer Ausdruck, die Landschaft unserer Heimat, der Rahmen, dem wir unsere Bauwerke ein¬ zupassen haben. Ich bin nicht Architekt, sondern Bauingenieur. Ich bin daher nicht geschult, als Bau¬ künstler baugestalterisch zu schaffen, sondern in erster Linie zweckbedingt konstruktiv zu arbeiten. 84

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