Weinberger: 100 Jahre Eiszeitforschung in Oberösterreich sachen, die darauf Bezug haben, und ihre naturtreue Darlegung durch Wort und Zeichnung, erscheinen noch immer unerläßlich, um die endliche Lösung einer Frage herbeizuführen, die gegenwärtig das Interesse des gesamten wissenschaftlichen Publikums in Anspruch nimmt. Bei meinen Wanderungen und vielseitigen Unter suchungen im Salzkammergute, habe ich auch in jener Beziehung manche Er¬ scheinungen beobachtet, die mir in ihrer Vereinzelung anfangs rätselhaft erschienen, nach ihrer Zusammenordnung und Vergleichung aber immer klarer wurden, und mich endlich ebenfalls zu der notwendigen Annahme einer einstigen, weitver¬ zweigten und mächtigen Ausdehnung der Gletscher in unseren Alpenländern hin¬ führten“. Simony schloß aus den „verschiedenen Abrundungen des Dachstein-, Priel-12) und Höllengebirges, die innerhalb ziemlich scharfer Grenzen des Terrains bis zu einem gewissen Höhenniveau aufwärts und bis zu einer bestimmten Er streckung abwärts verfolgt werden können, auf eine abschleifende Tätigkeit einstiger Gletscher“. Er erkennt mit scharfem Blick, „daß die Abrundung der Einzelgipfel nur bis zu einer gewissen Höhe über das sie umgrenzende Plateau des Gebirges, oder über das von ihnen eingeschlossene Tal hinaufreicht, und daß Gipfel, welche jenes Niveau übersteigen, sich sogleich durch scharfe Umrisse kennbar machen“. Somit arbeitete Simony schon damals die Erkenntnis der stets über die Gletscher der Eiszeit emporragenden Berggipfel heraus, welche wir heute nach grönländischem Vorbilde als Nunatakker bezeichnen. Weiter erachtet Simony das Vorkommen von Gletscherschliffen als „mit anderen Erscheinungen zugleich Beweise einstiger Gletscherausdehnung“. Aber auch hier zeigt er sich als kritischer Forscher. „Meine eigenen Erfahrungen haben mich gelehrt, auf das Vorkommen einzelner glatter oder gestreifter Flächen in den Kalkgebirgen als Beweismittel für einst vorhandene Gletscher keinen großen Wert zu legen. Nur die allgemeine Abglättung und Abrundung eines ganzen Terrains, wie dieselbe z. B. auf dem Dachsteingebirge innerhalb gewisser ziemlich scharf gezogener Grenzen sich beobachten läßt, kann mit Sicherheit als die Wirkung von Gletscherschliffen erkannt werden“. Er scheidet also alle Harnische und andere Pseudogletscherschliffe aus. Als dritten Beweis zieht er mit aller Vorsicht den Moränenschutt heran. „Die Verbreitung des Gebirgsschuttes und seine oft moränenähnlichen Gestal¬ tungen in den angrenzenden Haupttälern geben uns keine hinlänglichen Anhalts¬ punkte für die unteren Grenzen der einstigen Gletscher, da in den tieferen Niveaux den verschiedenen Diluvien ebenfalls eine große Rolle eingeräumt werden muß, und sich hier also die Wirkungen des wandernden Eises und der vorgeschichtlichen Überschwemmungs-Epochen begegnen“. Der letzte Satz ist interessant, da Simony einesteils den höheren Schutt den Gletschern, andernteils, dem üblichen Zeit¬ 12) Simony bezeichnet das Totengebirge als Prielgebirge. Die Bezeichnung „Totes Ge¬ birge“ wurde früher im allgemeinen Sinn für ein verkarstetes, lebensfeindliches Hochgebirge ge¬ braucht. Vgl. F. Pfeffer, Zur Erschließungsgeschichte des Dachsteingebietes, Oberösterreichische Heimatblätter Ig 1 (Linz 1947) S. 196.
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